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Trotzdem oder gerade deswegen – Positionsbestimmung mit Gregor Samsa von Sounds of Subterrania

Sounds of Subterrania-Gründer Gregor Samsa
Schallplatten leben mehr als jede andere Musikform vom Gefühl. Das Auflegen der Nadel, das Bestaunen des Artworks, das Studieren der Lyrics und der warme Sound einer gut gepressten Vinyl samt dem gelegentlichen Rauschen und Knistern. Musikromantik pur! Genau diesem Gefühl möchte Gregor Samsa, Gründer des Ein-Mann-DIY-Labels Sounds of Subterrania, mit seiner Arbeit Ausdruck verleihen. Er möchte nicht einfach bloß Musik veröffentlichen, die ihm selber gefällt. Unzählige Stunden investiert er in die Herstellung besonderer Vinyleditionen oder die Gestaltung außergewöhnlicher Sleeves für die von ihm veröffentlichten Schallplatten. Und das seit nunmehr 15 Jahren!
1998 hat Samsa Sounds of Subterrania gegründet, um dem Mainstream etwas entgegen zu setzen und in einer Struktur zu arbeiten, „in der ich nicht der Boss bin und keinen Boss habe„, wie er selber sagt. Mittlerweile kann Samsa auf die Zusammenarbeit mit mehr als 50 Bands zurück blicken. Natürlich ist in der Zwischenzeit auch einiges an Platten zusammen gekommen. Mehr als 850 Songs hat er veröffentlicht, darunter Bands wie Melt Banana, The Dirtbombs, Kommando Sonne-nmilch, The Monsters, El Guapo Stuntteam, The Now-Denial, The Hives oder Gluecifer. Er hat King Khan & His Shrines entdeckt und ihre ersten Platten veröffentlicht.
Für seine Hingabe ist Gregor Samsa u.a. mit der Goldenen Indieaxt 2012 ausgezeichnet worden. Die Auszeichnung wird jedes Jahr vom Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V. (VUT) verliehen. Und zwar an eine Person, die sich auf unkonventionelle und effektvolle Weise für Independents eingesetzt hat. Kaum jemand scheint besser geeignet zu sein für diesen Preis als eben jener Gregor Samsa. In der Begründung für die Verleihung der Indieaxt heißt es: „Nur durch Menschen wie ihn ist es möglich, dass auch Nischenmusik als Kunst das Licht der Öffentlichkeit erblickt und wahrgenommen wird.“ Der Musikmarkt schreibt über die Person Gregor Samsa, dass sie es mit Sorge sieht, dass Begriffe wie Independent und „Do It Yourself“ ihre sozialkritische Bedeutung verlieren und sich zur bloßen Genre-Bezeichnung wandeln. „Er erkennt einen Widerspruch darin, dass Musik zwar Ausdruck für Unabhängigkeit und Individualität sei, gleichsam aber auch ein von Wirtschaftsfaktoren bestimmtes Massenprodukt.“ Diese Sichtweise wird auch in dem Interview deutlich, dass ich mit ihm geführt habe.

Noch ein kurzer Hinweis zum Abschluss: Am 29. und 30. November 2013 findet im C-Club in Berlin das Bite It!-Labelfest statt, auf dem das 15jährige Bestehen des Labels gebührend gefeiert werden soll – inklusive Posterausstellung, Sounds of Subterrania Plattenladen und veganem Catering. 16 Acts werden dabei auf der Bühne stehen.

Musik ist so viel mehr als Nullen und Einsen. Musik trägt Ideen und Gefühle.

VFM: Gregor, du hast dir das Ziel gesteckt, „the godfather of special packaging in conjunction with a vinyl record“ zu werden. Was steckt konkret hinter diesem Ziel?

Zwei Ideen. Zum einen die Spielerei mit Superlativen und Titeln. Jeder Mensch benutzt Schubladen als Ordnungssystem. Wenn Du möchtest, dass man Dich findet, bau Dir einfach deine eigene, dann kannst Du auch die Regeln bestimmen.
Zum anderen und das ist mein Hauptantrieb, möchte ich, dass die Menschen verstehen, besser gesagt fühlen, dass Musik so viel mehr ist als Nullen und Einsen. Musik trägt Ideen und Gefühle. Sie baut Brücken. Sie hilft uns auszudrücken und sie ist soviel mehr als ein reines Konsumgut. Eine besondere Verpackung hilft, dieses zu vermitteln. Sie hat zum einen immer etwas von einem Geschenk, verführt zur Beschäftigung mit der Platte, weckt Interesse und Neugierde. Sie eröffnet den Aufmerksamen einen Zugang und Interpretationsmöglichkeiten. Und in dieser Disziplin fühle ich mich wohl und möchte eben dort einfach besondere Dinge schaffen. Es geht letzten Endes darum, den Geist zu stimulieren.

VFM: An einem Exemplar der Monsters Special Vinyl Edition, die aus einer Holzbox mit einem Puzzle als Plattencover besteht, sitzt du knapp 20 Stunden! Du sagst selber, dass dir das letztlich keiner bezahlen kann. Was genau treibt dich also an!?

Nietzsche sagte: „Hat man sein Warum des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem Wie.“ Oder einfacher: Zuallererst möchte ich der Band ein Denkmal setzen. Ich möchte für sie etwas schaffen, was es vorher so noch nicht gegeben hat und auch nicht wieder geben wird. Die Musik, die ich veröffentliche, bedeutet mir wahnsinnig viel, ich bin da Fan und möchte dann eben auch etwas zurückgeben – und zwar etwas Einzigartiges. Fans agieren irrational. Ein Verhalten wider jegliche Vernunft kann aber Dinge schaffen, die sonst nicht entstehen würden. Es ist ein Traum vom Fliegen, der mich antreibt.

VFM: Ich kenne zahlreiche Musiker, die auf der ewigen Suche nach Anerkennung oder sogar dem „großen Durchbruch“ zu sein scheinen. Bedeutet ein Dasein als Musiker/Künstler oder Labelbetreiber heutzutage nicht letztlich Selbstausbeutung? Wirklich leben oder gar Geld verdienen kann doch damit heutzutage niemand mehr, oder?

Naja, es gibt genug Beispiele von Bands und auch Labels, die davon leben können. Es gibt ja auch bei den Indies starke Unterschiede. Ein Label wie City Slang, welches über Universal vertrieben wird, ist für mich kein Indielabel, da wichtige Aufgaben der Major übernimmt. Die Abhängigkeiten sind dabei zu stark. Des weiteren zählt für mich auch die politische Komponente: Warum soll ich für jemanden Geld verdienen, gegen den ich eigentlich in den Ring steige? Daran knüpft sich eine weitere Frage: Ist das, was sie veröffentlichen, auch das, was sie wirklich veröffentlichen wollen? Man wird sich dann oftmals die seichte Popscheiße schön reden, wenn die Verkaufszahlen stimmen. Es wird also durchaus in einzelnen Bereichen Geld verdient.
Um zur Selbstausbeutung zu kommen: Ich bin in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der es unvorstellbar war, mit unabhängiger Musik Geld zu verdienen. Es wurde auch nicht angestrebt. Oberstes Ziel war es, sich auszudrücken. Sprich Kommunikation und Interaktion! Wenn das aber die Parameter des Handelns sind, spielt Geld nur noch eine sekundäre Rolle.

VFM: Thom Yorke hat viel mediale Aufmerksamkeit erhalten, weil er Spotify öffentlich kritisiert und sämtliche Songs von Atoms for Peace zurückgezogen hat. Ich schätze jetzt einfach mal, dass die Künstler von Sounds of Subterrania nicht auf Spotify vertreten sind? Wie stehst du zu Streaming als Form der Musikdistribution?

Streaming wird alle anderen Strukturen kaputtmachen. Spotify zum Beispiel gehört den Majors und ist ein wunderbares Instrument lästige Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen. Es werden kleine Nischen bleiben, in welchen dann besondere Dinge entstehen, aber der Drops ist gelutscht. Für die Konsumenten stellt sich die Frage: Warum kaufen, wenn ich alles für 5€ im Monat haben kann? In der Konsequenz bedeutet es, dass nur Firmen mit einem großen Katalog oder Zwischenhändler, welche kein Risiko tragen, damit Geld verdienen können.

VFM: Wenn ich da mal kurz einhaken darf: Ich muss zugeben, dass ich (noch) Spotify nutze, um Musik unterwegs zu hören, was mit Platten schwer möglich ist. Außerdem bietet Spotify die Möglichkeit, in Alben reinzuhören, da ich nicht immer Zeit habe, das im Plattenladen zu tun. Trotzdem gebe ich im Monat eine dreistellige Summe für Vinyl aus. Bin ich da ein Einzelfall? Du glaubst nicht, dass eine Synergie zwischen Streaming und Tonträgerverkäufen entstehen kann?

Man müsste als erstes die verschiedenen Konsumententypen analysieren. Es können durchaus Synergien entstehen, aber die Frage ist für mich eine andere: Ich stelle mir die Frage, welche Platten Du Dir gekauft hast? Um es konkret zu sagen: Mir bringt es nichts, dass jemand auf Spotify meine Musik hört und sich dann im Laden die limitierte 7“ Box von Gaslight Anthem kauft, weil er hier eine Wertsteigerung vermutet. Genau das passiert aber!
Der Musikmarkt gleicht sich in seinem Verhalten immer mehr den Kunstmarkt an. Und dies ist der alleinige Grund, warum Majors wieder Vinyl produzieren lassen. Ich kenne genug Beispiele, bei denen die Propaganda, dass Streamingdienste Verkäufe ankurbeln ad absurdum geführt wird. Da werden dann Einzelbeispiele hervorgeholt. Um in Bildern zu sprechen: In Amerika träumen viele Menschen den Traum vom Tellerwäscher zum Millionär, doch 20 Prozent leben unter der Armutsgrenze. Übertragen auf Spotify werden es einschließlich aller Beteiligten dann 70% bis 80% sein. Das System Spotify ist nicht gerecht und auch nicht darauf angelegt, gerecht zu sein.

VFM: Verändert Streaming die Art und Weise, wie ein Hörer Musik konsumiert?

Meiner Meinung nach komplett. Mich erinnert das ein wenig an die Geschichten aus dem Schlaraffenland. Auf den ersten Blick ist alles toll, wenn man es genauer betrachtet, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Die Musik verliert für einen selber durch solche Systeme an Wert, da man nichts mehr dafür leisten muss.

VFM: Du entwirfst hier ein recht apokalyptisches Bild. Bedeutet das nicht in letzter Konsequenz, dass Spotify auch direkt Labels wie Sounds of Subterrania in ihrer Existenz bedroht – oder bewegst du dich in „dieser kleinen Nische, in der besondere Dinge entstehen“, wie du es bezeichnet hast?

Natürlich bedrohen Softwarelösungen wie Spotify Labels meiner Größenordnung – und zwar massiv. 100 oder 200 verkaufte Platten entscheiden ja schon oftmals über ein plus oder minus. Um es aber genauer zu bezeichnen, es ist ja nicht Spotify alleine. Es ist die Monopolisierung der Kultur durch einige wenige Großkonzerne und da hilft mir dann auch meine Nische nichts, wenn der Eingang zu ihr völlig mit unbrauchbaren Dreck zugemüllt ist und keiner reinkommt.

VFM: Über welche Vertriebswege verkaufst du deine Alben? Gibts deine Platten „nur“ in Plattenläden und angeschlossenen Mailordern?

Ich arbeite mit Cargo und mit Rough Trade zusammen. Und hoffe natürlich, dass viele Läden meine Platten bestellen. Allerdings bestellen die meisten Plattenläden nur die Platten, die in der „Fachpresse“ besprochen werden. Da ich dort selten stattfinde, finde ich auch in vielen Plattenläden nicht statt.

Zum zweiten Teil des Interviews mit Gregor Samsa…

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