Als ich vor einigen Monaten erfahren habe, dass die japanischen Postrock-Heroen Mono im Oktober gleich zwei Alben rausbringen würden, war die Vorfreude riesig. Vollkommen logisch, dass ich die Alben unbedingt auf Vinyl erwerben musste. An dem Tag als Pelagic Records bei Facebook den Start des Vorverkaufs verkündete, sicherte ich mir die limitierte Edition ohne auch nur eine einzige Sekunde der Alben gehört zu haben. Keine so schlechte Idee, denn in nicht einmal 24 Stunden war diese restlos ausverkauft. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens habe ich die Platten jetzt endlich persönlich vor Ort abgeholt und die Gelegenheit genutzt, ein paar Worte mit Robin Staps, dem Gründer und Inhaber des Labels zu wechseln.
Berlin Prenzlauer Berg. Ein Stadtteil, den ich bislang eher mit (ja, Klischee ich weiß) Latte Machiato, exotischen Eissorten für 1,80 Euro die Kugel und veganen Supermärkten in Verbindung gebracht habe, nicht aber mit Post- oder Progressive Rock. In unmittelbarer Nähe der Zionskirche befindet sich das Hauptquartier von Pelagic Records. Im Dachgeschoss. Hinter der linken Tür die Wohnung von Robin Staps, rechts das Hauptquartier seiner Band The Ocean, mit der er bereits acht Studioalben veröffentlicht hat. In einem knapp 20qm großen Kellerraum stapeln sich Massen an CDs, Schallplatten und Boxsets. Es sieht nach einer Menge Arbeit aus!
So eben hat das Team von Pelagic das Versenden der Pre-Orders für die beiden Mono-Alben hinter sich gebracht, die am vergangenen Freitag offiziell erschienen sind. Eine Menge Stress für Robin und seine beiden Mitarbeiter Ruby und Steve, die zwar nicht fest angestellt sind, aber immer dann aushelfen, wenn Not am Mann ist. „Die beiden kümmern sich vor allem um die Logistik, also das Verpacken der Pre-Orders und Ähnliches. Ohne die beiden würde gar nichts laufen, ich kann das nicht mehr alles alleine bewältigen„, gibt Robin offen zu.
Sein Label scheint gut zu laufen. In meiner Tätigkeit für Vinyl Fantasy habe ich viele Labelbesitzer kennen gelernt, die das Ganze nebenbei aus Leidenschaft betreiben und froh sind, wenn Sie am Ende des Monats bei „plus minus null“ angekommen sind. Geld bringt oft der 30-Stunden-Halbtagsjob. Das könnte sich Robin Staps so gar nicht vorstellen. „Das könnte ich mir nicht leisten. Und hätte da auch keinen Bock zu, ehrlich gesagt, dazu ist das zu viel Arbeit. Ich lebe von dem Label – und von meiner Band. Ich bin vollkommen selbstständig und momentan frisst das Label 80% meiner Zeit. Das kommt halt immer in Perioden: Wenn ich mit der Band viel auf Tour bin, mache ich nicht so viele Releases mit dem Label. Wenn dann mal keine Touren anstehen, mache ich dementsprechend mehr. Wie eben jetzt im Herbst. Ich könnte das nicht hobbymäßig nur ein paar Stunden betreiben.“
Bevor ich mit dem Interview loslege, sei an dieser Stelle der kurze Hinweis erlaubt, dass am 13. Dezember im C-Club in Berlin die „Pelagic Label Night“ steigt. An jenem Abend werden nicht nur die grandiosen Mono auf der Bühne zu bewundern sein, sondern ebenso die nicht minder großartigen EF, Kruger und The Shaking Sensations. Die Hardtickets könnt ihr direkt im Onlineshop des Labels erwerben. Jetzt aber ab zum Interview!
VFM: Pelagic Records wurde 2009 gegründet. Das erste Album des Labels wurde damals nur auf CD rausgebracht. Wie hat sich in der Zwischenzeit durch den viel zitierten Vinylboom der Stellenwert der Schallplatte für dein Label verändert?
Die Vinylnachfrage ist auch bei uns ganz krass gestiegen. Wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir tatsächlich von einigen Releases schon mehr Vinyl als CDs verkaufen. Die CD ist ein bißchen am Aussterben, das hängt allerdings auch immer davon ab, was für ein Packaging man anbietet. Wir haben viele schicke CD-Boxen gemacht, u.a. für die neue Mono eine Doppel-CD mit einem Die-Cut-Gatefold – das kaufen die Leute. Aber die Standard Jewelcase-CD ist tot!
Wir bieten das Format noch an, weil man von CDs auch relativ kleine Auflagen ohne hohe Kosten realisieren kann. Die Tendenz geht aber ganz klar in Richtung Vinyl und wird sich wohl auch noch verstärken. Unser Presswerk nimmt schon Bestellungen von unter 500 Kopien gar nicht mehr an und hat 2014 in den ersten vier Monaten 30% mehr Aufträge gehabt als im letzten Jahr.
VFM: Heißt das in der Konsequenz, dass Pelagic mittlerweile standardmäßig jedes Album auf Vinyl heraus bringt?
Am Anfang haben wir nur ausgewählte Releases als Vinyl gemacht, mittlerweile gibt es sogar bestimmte Releases nur noch auf Vinyl, wie z.B. die aktuelle Doppel-LP von Wang Wen.
VFM: Es gibt zahlreiche Stimmen, die behaupten, dass zwei Musikformate überleben werden: Die Vinyl als physischer Datenträger sowie Streaming und eventuell Downloads als digitale Version. Ist Pelagic auf Plattformen wie Spotify oder iTunes vertreten?
Wir haben einen Digitalvertrieb, über den wir bei iTunes, aber auch den Streamingdiensten vertreten sind. Meiner Meinung nach ist Streaming tatsächlich die Art und Weise, auf die Musik in Zukunft konsumiert werden wird. Die Leute sehen einfach nicht ein, warum sie Geld dafür zahlen sollen, eine amorphe Menge an Daten auf ihrer Festplatte zu haben, wenn sie direkt alles online abspielen können. Das Konzept ist großartig und ich sehe da auch keine Konkurrenz zu unseren Releases auf Vinyl. Die Leute, die wirklich Fans sind, wollen immer noch ein haptisches Produkt und sind bereit dafür Geld auszugeben. Immer vorausgesetzt, man bietet ihnen etwas Schickes wie ein tolles Packaging oder farbiges Vinyl an, das ja mittlerweile sehr groß geschrieben wird. Ich sehe da keine Bedrohung durch Streamingdienste.
VFM: Das Murren gerade über Spotify von Künstler- und Labelseite ist aber trotzdem groß. Wie sehen deine Erfahrungen mit Streamingdiensten aus?
Naja, was überhaupt nicht cool ist, sind die wirklich marginalen Ausschtüttungen durch Spotify. Das Unternehmen ist mittlerweile in einer derartigen Machtposition, dass es sich so etwas erlauben kann. Es ist leider so: Spotify braucht die Labels nicht, aber die Labels brauchen Spotify. Man kommt im Moment einfach nicht umhin. Die Alternative ist, dass man dort nicht vertreten ist, aber da verzichtet man eben auf massiv viele Hörer.
VFM: Was bedeutet diese Entwicklung in der Konsequenz für ein Label wie Pelagic?
Die direkten Pre-Order sind das, was wirklich Geld einbringt. Wenn man über den Vertrieb verkauft, ist die Marge sehr gering. Bei einer verkauften Vinyl bekomme ich vom Vertrieb acht Euro, bezahle aber bei einem wirklich schicken Packaging auch vier oder fünf Euro für die Herstellung. Da bleibt ganz wenig hängen. Beim direkten Pre-Order kann ich bei gleichen Herstellungskosten zum Ladenpreis verkaufen und die Marge ist für uns als Label höher. Wir haben mittlerweile auch einen gewissen Kundenstamm, der bei uns direkt ordert, auch wenn natürlich nicht immer alles direkt über Pre-Order weggeht.
Auch digital ist für uns sehr wichtig, also Downloads bei iTunes und Co., weil man da als Label überhaupt keine Kosten hat. Es ist ein nettes zusätzliches Einkommen, auf das wir uns auch verlassen müssen, wenn wir Produktionen planen.
VFM: Die limitierte Doppel-LP von Mono auf grau-marmoriertem Vinyl war in weniger als 20 Stunden ausverkauft. Es ist für dich also gar nicht von Interesse, dass eine solche Edition den Weg in den Plattenladen findet?
Die limitierte Doppel-LP gibt es nur direkt bei uns, das stimmt. Es gibt eine Standardversion, die es auch über den Vertrieb im Plattenladen zu kaufen gibt. Wir wollen die Leute dazu erziehen, dass sie bei uns kaufen. Das macht man natürlich, indem wir Sachen exklusiv anbieten, die im Laden nicht zu bekommen sind. Darüber bauen wir uns einen Kundenstamm auf. Ohne den Support von unseren Fans, die immer wieder bei uns direkt bestellen, würde das Label so nicht existieren können.
VFM: Ich kenne mittlerweile einige Leute, die sich darüber aufregen, dass sie den Überblick verlieren, welche und wie viele Vinyledionen eines Albums es überhaupt gibt: Limitierte Version hier, grünes, blaues oder gelbes Vinyl da. Im Prinzip ist aber genau das die Überlabensstrategie von Labels wie Pelagic?
Also zunächst mal hat der Kunde ja selber die Entscheidung, ob er sich nur eine Version kaufen möchte oder mehrere. Die Mono LP z.B. gibt es auch preislich gestaffelt, weil das Vinyl bei der grey marbled-Variante nun mal in der Herstellung viel teurer ist als das normale Schwarz. Ätzend finde ich es, wenn der Kunde dazu gezwungen wird, eine bestimmte (meist teurere) Variante zu bestellen, eigentlich aber bloß schwarzes Vinyl haben möchte. Deswegen bringen wir immer auch eine schwarze Variante heraus – für diejenigen, die keine Lust auf Farbe haben. Natürlich hat man auch die Kunden, die direkt alle Farben auf einmal kaufen. Oder Bestellungen, wo jemand zehn Exemplare bestellt. Die cancel ich aber sofort, weil ich weiß, dass die Exemplare dann bei eBay landen.
Jeder Vinylfan hat einen gewissen Sammlerfetisch und freut sich, wenn er etwas Limitiertes, das auch noch toll anzuschauen ist, in den Händen hält. Farbiges Vinyl und ein tolles Packaging sind für mich auch eine besondere Genugtuung in der Labelarbeit. Die Vinylfarbe muss dabei unbedingt zum Artwork passen. Ich experimentiere gerne herum und spreche auch mit meinem Presswerk, was sich realisieren lässt, wie z.B. Colour-in-Colour-Varianten, bei denen jede Vinyl ein Unikat darstellt.
VFM: Wo du gerade von Fan-Dasein und Sammlerfetisch gesprochen hast: Wie sieht es eigentlich mit deiner eigenen Plattensammlung aus?
Ich würde mich selber nicht als Sammler bezeichnen. Einige Platten habe ich hier, viele sind noch zu Hause bei meinen Eltern – aus meinen alten Hardcoretagen. Ich habe mir das Sammeln aber irgendwann abgewöhnt. 2001/2002 habe ich noch viel in den USA direkt bestellt und durchaus einige Schätze im Schrank. Letztlich kam aber die Einsicht, dass es auch nichts Anderes ist als Briefmarken-Sammeln und ich hatte da einfach keine Lust mehr drauf. Heute kaufe ich mir eine Platte auf Vinyl, wenn ich eine Band richtig geil finde, meistens auf Konzerten.
Kommen wir noch mal zum Label zurück. Du sagst selber über Pelagic, dass du genretechnisch nicht festgelegt bist. Bringst du also alles das raus, was du persönlich geil findest?
Ja! Genau das ist von Anfang an der Ansatz gewesen. Wir haben uns jetzt natürlich einen Namen gemacht in einer bestimmten Szene, die sich irgendwo zwischen Metal, Postrock und progressiver harter Gitarrenmusik findet. In dieser Szene sind wir verwurzelt, da sind auch unsere Presse- und Vertriebskanäle drauf ausgerichtet. Trotzdem ist aber nicht ausgeschlossen, dass wir mal etwas komplett Anderes heraus bringen. Tendenziell bin ich da nach wie vor für alles offen.
Wirtschaftliche Erwägungen spielen bei der Entscheidung überhaupt keine Rolle? Gehst du davon aus, dass dein Geschmack die „Masse“ schon irgendwie trifft?
Ja natürlich. Ich mache nur Sachen, die ich selbst sehr, sehr gut finde. Dabei bin ich ein ganz böser, zynischer Kritiker, der eigentlich gar nichts gut findet. Insofern finden das, was ich dann tatsächlich toll finde, meistens auch andere Menschen toll. Das schützt einen aber natürlich nicht vor Misserfolgen und Fehlgriffen. Ich habe auch schon Releases gemacht, bei denen nichts passiert ist. Das hat dann aber auch oft damit zu tun, ob eine Band viel tourt und selber das Ruder in die Hand nimmt. Bereuen tue ich aber nichts, denn musikalisch kann ich das alles zu einhundert Prozent vertreten.