Normalerweise dienen Schallplatten in erster Linie dazu, die darauf enthaltenen Songs abzuspielen. Doch auch als Objekt an sich hat die Schallplatte durchaus eine kulturelle Bedeutung und ist im vergangenen Jahr – dem überraschenden Revival sei Dank – zunehmend Bestandteil der Werbung geworden. Zumindest im Berliner Stadtbild taucht die Schallplatte plötzlich überall auf Flyern, in Schaufenstern oder auch auf Werbetafeln auf. Die Firma TROXXY™ Vinylz treibt das Ganze noch ein bißchen weiter: Aus Schallplatten werden Accessoires wie Werbe- und Visitenkarten, Untersetzer, Magnetpins, Uhren, Zeitungshalter, individuelle Schilder für Baseball Caps, Anhänger oder Krawatten kreiert. Die Schallplatte wird vom Musikmedium zum Modeobjekt. Auch Sonderanfertigungen jeglicher Art sind möglich, die von Unternehmen oder Veranstaltern auch immer wieder nachgefragt werden. So wurden im Rahmen des „TRAMLINES Sheffield Music Festival“ im Juli sämtliche Bierzapfanlagen in den Pubs der Stadt mit TROXXY „Beer Pump Clips“ aus Vinyl verschönert.
Einen Überblick über alle Produkte von TROXXY findet ihr im DaWanda-Shop, wo ihr auch direkt bestellen könnt. Auf der Facebook-Seite von TROXXY werdet ihr über aktuellen Neuheiten informiert. Bevor ich hier aber in langen Worten mehr über das kleine schwäbische Unternehmen schreibe, habe ich mich mit Christian Trögele unterhalten, der hinter der Idee für TROXXY Vinylz steckt. Heraus kam ein durchaus interessantes Gespräch über seine Geschäftsidee, den Aspekt der Nachhaltigkeit, die eigene Plattensammlung, aber auch die Frage, wie so mancher Plattenliebhaber darauf reagiert, dass eine Schallplatte für Designzwecke „geopfert“ wird. Für das Gewinnspiel von Vinyl Fantasy Mag stellt er im übrigen netterweise drei Zeitungshalter zur Verfügung!
Interview mit Christian Trögele
VFM: Für mich als Plattensammler und Liebhaber die natürlich wichtigste Frage gleich zu Beginn: Was für Schallplatten verwendest du für deine Produkte?
Alle meine Produkte laufen unter dem Markennamen TROXXY Vinylz. Das sind Design-Accessoires aus handverlesenen Vinylschallplatten, wie Zeitungshalter, Untersetzer, Visiten- und Downloadkarten und vieles mehr. Hierfür verwende ich ausschließlich Platten welche meiner Meinung nach keinen Wert mehr besitzen, wobei das immer Ansichtssache ist und mit dem persönlichen Geschmack zu tun hat. Der Eine mag kasachische Chöre, der Andere würde es absurd finden aus einer Weihnachtsplatte einen Zeitungshalter zu kreieren.
Anfangs bezog ich meine Platten für TROXXY Vinylz aus Wohnungsauflösungen, Dachbodenfunden oder von Sammlern, welche auf digitalen Musikkonsum umgestiegen sind und sich von ihren Platten getrennt haben. Hierbei finde ich immer noch die ein oder anderen „Schätze“ und Sammlerstücke, bizarres Zeug wie Geräuscheplatten, viel Klassik, Jazz aus Buxtehude, Hörspiele, Witzeplatten und dergleichen. Diese Platten wurden selbstverständlich von mir aussortiert und in meine persönliche Sammlung unter der Rubrik „Obskuritäten“ aufgenommen.
Heute beziehe ich meine Platten hauptsächlich von Restpostenhändlern oder Plattenlabels, welche ihre überschüssige Produktionen an mich abtreten. Viele Labels für die ich z.B. Downloadkarten oder andere Accessoires aus Schallplatten fertige, schicken mir hierzu ihre eigenen Platten zur Produktion.
Einer meiner Großlieferanten importiert Platten palettenweise aus Übersee. Hier ist oft die eine Platte gleich einhundert Mal dabei. Sollte mir solch eine Platte gefallen, kommt eine davon in meine Sammlung, und der Rest wird verarbeitet.
VFM: Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, aus gebrauchten Schallplatten eine kleine Produktwelt zu schaffen?
Ich habe 1984 von meiner Großmutter beim Einkaufen in einem Drogeriemarkt meine ersten Platten bekommen. Seitdem bin ich von dem Medium fasziniert und sammle. Wann man seine erste MP3 herunter geladen hat, weiß wohl niemand mehr so richtig. Außerdem hat das mit der Musik- und Sammelkultur zu tun, der Sound von Platten ist besser und ich will mir das Teil in mein Regal stellen und besitzen.
Über die Zeit habe ich viele Platten gesammelt und als 2009 meine Frau bei mir eingezogen ist, habe ich Platten kistenweise vom Wohnzimmer in den Keller getragen, um Platz zu schaffen.
Tags zuvor war ich auf einer Messe und habe Visitenkarten bekommen. Als ich am Abend nach der Messe nach Hause kam und die Visitenkarten auf den Tisch geworfen habe, ist eine heraus gestochen, da diese aus Plastik war. Daneben lagen meine Schallplatten und ich kam auf die Idee, mir meine eigenen Visitenkarten aus Schallplatten zu machen. Das Tolle daran ist, dass man mit seinem Material für sich werben kann. So wie z.B. ein Schlosser Visitenkarten aus Edelstahl haben kann, hatte ich dann meine aus Vinyl. Daraus entstand die Marke TROXXY™ Vinylz und das Portfolio wurde um weitere Produkte erweitert.
VFM: Stichwort: Upcycling. Spielt dieser Aspekt der Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle bei Troxxy?
Natürlich. Ich finde es besser, wenn ausrangierte Platten zu einem unikaten TROXXY-Designerstück verarbeitet werden, welches in neuem Glanz erscheint, als für immer und ewig in einer Kiste mit weiterem Sperrgut im verstaubtem Keller vor sich hin zu gammeln.
VFM: Wenn ich im Internet bei Dawanda und Co. nachschaue, ist die Resonanz sehr positiv. Gibt es nicht manchmal auch negative Reaktionen von Plattensammlern oder -liebhabern – frei nach dem Motto „Was machst du denn mit dem schönen Vinyl?“
Nachdem ich TROXXY markenrechtlich schützen lassen habe, damit an die Öffentlichkeit ging und meinen Presseverteiler angeworfen habe, um der Welt von TROXXY Vinylz zu berichten, habe ich auch negative Resonanz erfahren. Jemand antwortete auf meine Pressmitteilung, TROXXY sei ein Kulturbanause. Wenn man Schallplatten zerschneidet, könne man ja auch gleich Bücher verbrennen, so seine Meinung.
Dann gibt es Leute, die bei mir bestellen und sich wünschen, dass Ihre Produkte z.B. mit Platten von den Stones oder AC/DC hergestellt werden, was aber teurer wäre. Würde ich solche Platten nehmen, wäre das Ganze nicht mehr rentabel, da diese Platten eben etwas mehr kosten. Es besteht aber die Möglichkeit, dass der Kunde die Platten besorgt und ich ihm dann das jeweilige Produkt anfertige. Die zweite Variante wäre, dass ich die Platten besorge und das Produkt verteuert sich dementsprechend um den Einkaufpreis der hier verwendeten Schallplatten.
Vielleicht liegt jemandem was dran eben genau aus jener Platte ein TROXXY Vinylz sein Eigen zu nennen. Für ein renommiertes House- und Technolabel produziere ich zum Beispiel ausschließlich mit deren eigenen Platten.
VFM: Sammelst du selber Platten? Wenn ja, wie viele hast du und welches ist dein „liebstes Exemplar“, das du nie für TROXXY upcyclen würdest?
Du weißt ja jetzt, was ich für Platten für TROXXY Vinylz verwende, daher komme ich nie in die Bredouille seltenes Kulturgut upcyceln zu müssen. Meine Plattensammlung wächst täglich. Momentan zähle ich knapp 3000 Platten zu meiner persönlichen Sammlung.
Zu meinen liebsten Platten gehören die von Pearl Jam. Gerade das Best of „Rearviewmirror“ wird auf diversen Börsen ziemlich teuer gehandelt und das „LostDogs“ ebenfalls. Durch den großen Plattenboom werden von solch tollen Alben in der Regel auch Reissues produziert und die Erstpressungen verlieren etwas an Wert. Dennoch ist der jeweilige ideelle Wert einer Schallplatte für jeden Sammler unterschiedlich. Der Eine verschenkt eine Platte, weil er sie doppelt hat, der Andere hütet diese eine Platte wie seinen Augapfel, weil damit ein besonderes Erlebnis verbunden ist.
Ich würde mein erstes Pearl Jam Album, welches ich von meinem Bruder bekommen habe, nicht gegen ein Reissue von demselben Album eintauschen. Wenn dann nur, um mein Original zu schonen. Weitere Lieblingsplatten sind Platten vom „Soundtrack meines Lebens“, also Platten, mit denen ich eine besondere Verbindung habe und welche einen Lebensabschnitt von mir geprägt haben. In den Achtzigern viel HipHop, dann in den Neunzigern Alternative mit einer Prise Rockabilly und TripHop. Im letztem Jahr prägten mich The XX und Ben Howard oder aktuell Gregory Porter und das Max Herre MTV Unplugged-Album. Solch tolle Platten könnte ich niemals zu Accessoires verarbeiten.
Im TROXXY Lager zum Upcyceln befinden sich aktuell weit über 5000 Platten und weitere zigtausend sind bei meinen Lieferanten schnell abrufbar. Es sollte demnach kein Problem darstellen, wenn morgen „Rock am Ring“ oder das „Wacken Festival“ Gefallen daran hätten , dass TROXXY hierfür im großen Stil Vinyl Merchandise produziert und die Festivalpässe für die Besucher und Bands aus echten Schallplatten hergestellt werden, was jeder Musikfan zu schätzen wüsste.