Es gibt immer wieder Musiker und Bands, deren Namen einem zig Mal untergekommen sind, ohne das man wirklich weiß, warum. Mir erging es so mit J.J. Cale, dessen Name zwar immer mal wieder präsent war. Mit seinem Solowerk hatte ich mich trotzdem lange Zeit nicht wirklich befasst. Das änderte sich erst, als mein Vater eines Tages in den örtlichen Plattenladen (das Scheibenkleister in Oldenburg) geschlendert ist, um mir ein paar Platten zu Weihnachten zu kaufen. Darunter „5“, das – Überraschung! – fünfte Studioalbum des Singer-Songwriters. Kurze Zeit entdeckte ich auf einem Flohmarkt das Debütalbum des vor 2 Jahren gestorbenen Singer-Songwriters.
Ich kaufe sehr sehr selten LPs nur aufgrund des Albumcovers. Aber als ich „Naturally“ entdeckte, wusste ich: „Das muss ich haben!“ Bei einem Preis von 5 Euro für eine Platte in einwandfreiem Zustand erst recht. Das Albumcover hat es mir wirklich angetan. Und da ich nach dem Hören von „5“ wusste, worauf ich mich musikalisch einlasse, war der Kauf quasi ein No-Brainer. Bereut habe ich ihn nie, ganz im Gegenteil.
Ich liebe Singer-Songwriter-Alben, ganz egal ob die Stimme männlich oder weiblich ist. Allerdings liebe ich sie vor allem dann, wenn die Musik reduziert ist. Nur ein Junge bzw. Mädel samt Gitarre plus charismatischer Stimme – mehr braucht es nicht! Ich kann es oft nicht verstehen bzw. finde es schade, wenn Solomusiker ab dem dritten Album plötzlich eine Band um sich scharen müssen. Mag sein, dass dies einer normalen künstlerischen Entwicklung geschuldet ist, meistens kann ich da jedoch nichts mehr mit anfangen. Bei J.J. Cale begeistert mich eben genau jener Minimalismus. Kein Geringerer als Eric Clapton sagt über Cales Stil: „… really, really minimal…, it’s all about finesse.“
Mit Coverversionen zum Chartserfolg
Eben jener Eric Clapton spielt faszinierenderweise eine große Rolle im musikalischen Werdegang von J.J. Cale – allerdings anders, als man jetzt vielleicht denken könnte. Denn die bekanntesten Songs von J.J. Cale sind erst durch Coverversionen von Eric Clapton zu weltweiten Charthits mutiert. Auf dem Debütalbum ist mit „After Midnight“ ein Song vertreten, den er bereits sechs Jahre vor dessen Erscheinen geschrieben hat. Die Version von Eric Clapton entwickelte sich 1970 zu einem veritablen Hit. Erst durch den Erfolg des Songs angestachelt entschied sich Cale dazu, ein Album aufzunehmen. Seine Version von „After Midnight“ erreichte 1972 immerhin Platz 42 der Billboard-Charts.
Der größte Hit von J.J. Cale ist ein Song, den vermutlich jeder von euch kennen dürfte: „Cocaine“! Wer in den vergangenen Jahrzehnten nicht einen großen Bogen um das Medium Radio gemacht hat, wird an diesem Song nicht vorbeigekommen sein – allerdings vermutlich wiederum an der prominenteren Version von Eric Clapton, die er 1977 auf seinem Album „Slowhand“ veröffentlichte, also ein Jahr nach dem Erscheinen von Cales Album „Troubadour“. Nicht falsch verstehen: Eric Clapton gehört zweifelsohne zu den ganz Großen seiner Zunft. Warum aber seine Versionen derart viel mehr Aufmerksamkeit erlangten wie die Originale, erschließt sich mir nicht wirklich. Manchmal kann das Leben vielleicht doch ein wenig unfair sein. Wobei natürlich immer die Frage erlaubt sein muss, welchen Einfluss der größere Ruhm auf die Musik und die Person J.J. Cale genommen hätte. 2006 veröffentlichten die beiden Musiker mit „The Road to Escondido“ jedenfalls ein gemeinsames Album, das immerhin einen Grammy als bestes zeitgenössisches Blues-Album abräumte.
Kurz noch einmal zurück zum Debütalbum und dem Thema Coverversionen: Der grandiose Einstiegssong „Call Me The Breeze“ wurde von Lynyrd Skynyrd gecovert und für das Album „Second Helping“ verwendet, dessen erster Song ein gewisses „Sweet Home Alabama“ darstellt. Kansas schnappten sich „Bringing It Back“ und verwendeten es auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum, das 1974 erschienen ist. Dr. Hook wiederum verwendeten ihr Cover von „Clyde“ auf dem 1978er Album „Pleasure & Pain“. Ihr seht schon: Wer derart oft mit Covern beehrt wird, der muss was auf dem Kasten haben. Wenn ihr auf minimalistische Singer-Songwriter-Musik steht, leiht „Naturally“ ein Ohr. Oder auch mehrere. Damit J.J. Cale nicht länger der Musiker bleibt, von dem jeder schon mal irgendwie gehört hat, ohne wirklich zu wissen warum.
P.S. Als J.J. Cale vor zwei Jahren an einem Herzinfarkt gestorben ist, war meine Timeline bei Twitter und Facebook voll von den typischen Beileidsbekundungen. Ich hätte zu gerne gewusst, wie viele der Trauernden mehr als drei Songtitel von Cale hätten aufzählen können und wie viele ihn insgeheim mit dem Gründungsmitglied von Velvet Underground verwechselt haben.