Gregor Samsa ist der Mann für die ganz besonderen Vinyleditionen. Und damit meine ich jetzt nicht solche mit extra Schlüsselanhänger, T-Shirt oder Kaffeetasse. Ich meine solche, in denen die Arbeit und Leidenschaft von Stunden, Monaten, ja oft sogar Jahren steckt. Bereits im November habe ich mit dem Gründer und Betreiber des Labels Sounds of Subterrania ein ausführliches Interview geführt. Darin beschreibt der selbst ernannte „godfather of special packaging in conjunction with a vinyl record“ seine Motiviation wie folgt: „Die Musik, die ich veröffentliche, bedeutet mir wahnsinnig viel, ich bin da Fan und möchte dann eben auch etwas zurückgeben – und zwar etwas Einzigartiges.“
Zum Zeitpunkt des Interviews steckte Gregor nicht nur in den Vorbereitungen für das 15-jährige Jubiläumsfest in Berlin, sondern auch der Fertigstellung von zahlreichen Veröffentlichungen. Ein paar davon sind bereits raus, der Rest wird in den kommenden Wochen und Monaten auf den Markt kommen. Eine Handvoll besonderer Releases möchte ich euch an dieser Stelle vorstellen. Der ein oder andere mag das als Werbung bezeichnen. Ich bezeichne das als Unterstützung für einen Menschen, dessen Hingabe zur Musik als Kunstform jenseits jeglichen Profitdenkens und Konsumgehabes zu suchen ist. “Nur durch Menschen wie ihn ist es möglich, dass auch Nischenmusik als Kunst das Licht der Öffentlichkeit erblickt und wahrgenommen wird”, heißt es zu Recht in der Begründung zur Verleihung der Goldenen Indieaxt, die er 2012 vom Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V. (VUT) erhalten hat.
Action Beat – Where are you?
Action Beat sind laut. Richtig laut. Nicht umsonst nennen sie sich „The Noise Band from Bletchley“, einer ansonsten recht verschlafenen Ortschaft in der englischen Grafschaft Buckinghamshire. Die Band besteht aus einem losen Kollektiv, das von bis zu vier Gitarristen, einem Bassisten und vier Schlagzeugern getragen wird. Nachdem sie sich in den vergangenen Jahren quer durch Europa gespielt haben, legen sie jetzt ihr neues Album vor, das ihr ab sofort bestellen könnt. „Auf dem aktuellen Auswuchs der LoFi-Gitarrennoise-Avantgardisten sticht ihr Ausflug in improvisiert elektronische Gefilde besonders positiv hervor„, zeigt sich das Ox Fanzine begeistert.
Was auf dem Titelbild vielleicht schwer erkennbar ist, ist die Tatsache, dass die 180g Vinyl in einer verrosteten Metallbox daher kommt. Das Artwork dekonstruiert sich passend zum Sound der Band quasi selbst. Ihr solltet also nach dem Kauf drauf achten, das Album in einer Plastikhülle aufzubewahren.
Reverend Beat-Man – Poems From The Graveyard (10“ Special Edition)
Diese Edition hat es wahrlich in sich. Neben den acht Songs auf einer 10“ erhaltet ihr einen 75 cm hohen Sarg samt Beat-Man Puppe und Rock´N´Roll Bibel – mit einem Gesamtgewicht von knapp 25 Kilo. Warum so eine Edition, für deren Preis man – provokant formuliert – mindestens zwei Jahre lang Spotify Premium bestellen könnte? Gregor, bitte: „Ganz einfach, weil er es verdient hat und weil ich es kann. Wir reden hier über Fan sein, wir reden hier über etwas zu machen, was keiner je zuvor gemacht hat, über Leidenschaft, im Grunde über die Liebe zur Musik und Freundschaft zu Menschen.“
Erwerben könnt ihr sie zum Preis von 225 Euro. Damit sind allerdings nur die reinen Materialkosten gedeckt, der Gewinn wäre gleich Null. Der Käufer kann selber entscheiden, wie viel ihm die Edition wert ist und welche Summe er zusätzlich zahlen möchte. „Gewiss ist nur, das ich mit diesem Geld neue Special Editions bauen werde„, schreibt Gregor abschließend.
Human Abfall – Tanztee von unten
Ich muss sagen, dass dieses Album definitiv den Weg in meine Plattensammlung finden wird. Angesichts des Namens war ich zunächst ziemlich skeptisch, aber diese Skepsis hat mir die Band in jenen Songs, die ich bislang kenne, buchstäblich links und rechts um die Ohren gehauen. Ob nun Punk oder Noiserock, die Lieder gehen steil nach vorne und überzeugen durch intelligente Texte. „Was Dürrenmatt für die Literatur, sind Human Abfall für die Musik“ heißt es im Pressetext des Labels. Produziert wurde das Album von Ralv Milberg, der auch für das aktuelle Werk der Nerven – die ja gerade einen mächtigen Hype erfahren – verantwortlich zeichnet. Passend zur Musik besteht das Artwork aus gebundenen, durch Buchdruck veredelten, Leinen. Alles – wie könnte es anders sein – in 100% Handarbeit hergestellt!
Re-release aller drei LPs von Listener
Listener gehört zu jenen Bands, die einem immer mal wieder irgendwo begegnen, die aber nie so richtig den Durchbruch geschafft haben. Und das vollkommen zu Unrecht, wie ich finde. Im vergangenen Jahr ist ihr drittes Studioalbum erschienen, das sehr häufig auf meinem Plattenspieler rotiert ist. Auf farbigem Vinyl im übrigen (siehe Foto links), was Gregor Samsa – erklärter Fan vom guten alten schwarzen Vinyl – vermutlich überhaupt nicht gut heißen wird.
Gregor Samsa jedenfalls ist ebenfalls großer Fan der Band und wird die bisherigen drei Alben – neben „Time Is A Machine“ sind das „Wooden Heart“ und „Return to Struggleville“ – neu veröffentlichen, da sie allesamt vergriffen sind. Die Artworks wird er dabei komplett neu gestalten. Für diese Aufgabe konnte er den Gestalter und Illustrator Greg Coulton gewinnen. Ob die Re-Issues sonstige Gimmicks enthalten, wird er euch zeitnah mitteilen. Im April kommt die Band übrigens für ein paar Konzerte nach Deutschland.
Zeugs von früher: Von Disketten und Puzzles
Das erste Album von Gregor, das ich jemals irgendwo in einem Plattenladen gesehen habe, ist das 10“-Album von Blue Screen of Death. Die Band aus Göttingen spielt „electronic 8-bit-Punk“. Das Besondere ist aber auch hier wieder die Verpackung, die im Plattenladen sofort ins Auge sticht. Es kommt nämlich als Floppy Diskette daher! Für jemanden, der die Dinger (auf die noch nicht einmal eine einzelne mp3-Datei gepasst hätte) noch selber benutzt hat, stellt sich sofort ein gewisser nostalgischer Effekt ein.
Eine ganz besondere Edition ist das „Pop Up Yours“-Album von The Monsters, das in einer stabilen Holzbox enthalten ist. Ein Gimmick ist die Vorderseite, die als 15 teiliges Schiebespiel mit negativ 3D-CNC-gefrästem Holzschnitt daher kommt (siehe Video). Ein paar Exemplare der auf 100 Stück limitierten Edition sind nach wie vor zu haben. Der Preis von knapp 66 Euro mag zunächst nach viel klingen, angesichts von knapp 20 Stunden Arbeit, die in jedem Exemplar stecken, ist das ein Schnäppchen. Aber wer sich zumindest ein Mal mit Gregor Samsa unterhalten hat, weiß, dass er in anderen Währungen rechnet als der monetären.
Was sonst noch so neu ist oder für 2014 geplant:
EA 80 / Happy Grindcore – Electro Napalm Hippie Death 7“
Freddy Fischer & his Cosmic Rocktime Band – Schuhe raus und tanzen gehen 12“
Freddy Fischer & his Cosmic Rocktime Band – Du bist hip / Tod im Waschsalon + 2×7“
Alle weiteren Infos zu Veröffentlichungen und Tourdaten findet ihr auf der Webseite von Sounds of Subterannia oder natürlich auf deren Facebook-Präsenz.