Aboservices für Vinyl- und Musikfans sind in der jüngsten Vergangenheit offensichtlich von vielen Personen als funktionierendes Geschäftsmodell entdeckt worden. In aller Regelmäßigkeit stoße ich im Internet auf neue Services, die den Nutzer damit locken, ihm monatlich tolle Schallplatten nach Hause zu senden. Diese sind zumeist auf Länder wie die USA oder UK begrenzt (und daher für deutsche Kunden mit hohen Versandkosten verbunden), doch mit Flying Vinyl versucht jetzt erstmals ein Anbieter mit einem Ableger den deutschen Markt zu erschließen.
Seit Juni verschickt Flying Vinyl in Großbritannien sorgfältige kuratierte Musik an Abonnenten. Ein knappes halbes Jahr später ist das Abonnement auch in Deutschland verfügbar. Für monatliche Kosten von 30 Euro (inkl. Versand) erhält der Kunde fünf Seven Inches mit „Stücken der besten neuen Musik der Welt“. Die 7“s, von denen jeweils eine auf buntem Vinyl daher kommt, enthalten zwei Songs eines Künstlers. Eine Jahresmitgliedschaft (Kostenpunkt: 324 Euro) ist ebenfalls möglich. Zu Beginn erhalten deutsche Abonnenten die selben 7“s wie in Großbritannien. Craig Evans, der Gründer von Flying Vinyl, kann sich aber durchaus vorstellen, in Deutschland in naher Zukunft ein eigenes Angebot bereitzustellen. Vielleicht sogar mit einheimischen Künstlern. Vorher müssen sich hierzulande aber natürlich erst einmal genügend Abonnenten finden.
Unter der „besten neuen Musik der Welt“ versteht Flying Vinyl einen bunten Mix aus Künstlern mit und ohne Plattenvertrag, von Independent und von Major Labels. Flying Vinyl hat sich zum Ziel gesetzt gute Musik unabhängig von der Situation der Künstler zu veröffentlichen – also egal ob sie erst eine Handvoll Songs auf Bandcamp hochgeladen oder bereits ein Album beim großen Major in ihrer Diskografie stehen haben. Natürlich ist die Bezeichnung „gute Musik“ relativ und geschmacksabhängig. Bislang beschränkt sich die Auswahl bei Flying Vinyl genretechnisch auf Indie und Alternative Rock. In naher Zukunft sollen allerdings auch weitere Genres in den Boxsets Beachtung finden.
Ein kurzer Überblick über die zuletzt veröffentlichten Künstler:
- Swim Deep – Indiepop aus Birmingham. Bereits zwei veröffentlichte Alben. Single bei YouTube anhören!
- Black Honey – female-fronted Indiepop aus Brighton. Debütalbum ist fertig, aber noch nicht veröffentlicht. Bei Soundcloud reinhören!
- Kid Wave – melancholischer Indierock aus London. Das Debütalbum „Wonderlust“ ist im Mai erschienen. Bei Soundcloud reinhören!
- Kagoule – treibender Gitarrenrock aus Nottingham. Das Debütalbum „Urth“ ist im August erschienen. Erste Single anhören!
Für viele Plattensammler ist allerdings nicht nur die Musik von Bedeutung, sondern das Gesamtpaket. Aus diesem Grund werden den monatlichen Boxen immer wieder spezielle Gimmicks wie Kunstdrucke, Behind-The-Scenes-Fotografien o.ä. beigelegt. Außerdem liegt dem Paket ein Booklet mit Infos über die Musiker und Alben bei.
Wenn euch eine monatliche Box nicht gefallen sollte, stellt das kein großes Problem dar. Flying Vinyl verfügt über recht lockere Rückgabe-Konditionen. Solltet ihr also tatsächlich unzufrieden sein, sollte es kein Problem sein, das Geld zurückzubekommen. Craig Evans betonte in unserem kurzen Austausch allerdings sehr gerne die Tatsache, dass bislang nicht ein einziger Abonnent sein Geld zurückgefordert hat.
Ein monatliches Weihnachtsfest für Vinylliebhaber
Als ich vor knapp zwei Jahren mit Feedbands den ersten mir bekannten Aboservice für Vinyl in einem Artikel vorgestellt habe, bin ich zu folgendem Fazit gekommen: „Und dennoch ist meine Wunschliste an Vinyl sooo unendlich lang, dass die Europäische Zentralbank vermutlich gar nicht so viel Geld drucken könnte, wie ich ausgeben möchte! Ich benötige einen Dienst wie Feedbands also nicht, um neue Bands kennen zu lernen, schon jetzt habe ich da längst den Überblick verloren. Es gibt nur einen einzigen Grund, warum ich in Erwägung ziehe, mein Feedbands-Abo nicht zu kündigen: Das bereits erwähnte Weihnachtsgefühl! Sich beim Auspacken des Pakets wie ein kleiner Junge fühlen ohne zu wissen, was mich wirklich erwartet. Ob mir dieses Gefühl allerdings knapp 20 Dollar im Monat wert ist, muss ich mir noch überlegen.“
Letztendlich war es das nicht, mein Abo habe ich längst gekündigt. Und auch sonst hat sich an diesem Fazit nicht viel geändert. Tagtäglich entdecke ich online über Musikblogs, meine Twitter-Timeline, Facebookgruppen oder Newsletter von Plattenlabels derart viel neue Musik, dass ich eh bereits mit dem Konsumieren nicht hinterher komme.
Auf meine Nachfrage, warum genau ich Flying Vinyl angesichts einer derart langen Wunsch- und Hörliste abonnieren soll, stellt Craig Evans den bereits erwähnten Aspekt des Gesamterlebnisses in den Vordergrund: „Der Spaß an der Sache liegt doch genau darin, dass ich nicht weiß, was für Platten ich bekomme. Man setzt sich zuhause hin und öffnet eine schicke Box mit Musik von Bands, die man vorher nicht kannte.“ Quasi ein monatliches Weihnachtsfest für Vinylliebhaber. Für Musikhörer, die nicht die Zeit und Laune haben sich tagtäglich auf der Suche nach toller Musik durch Blogs und soziale Netzwerke zu kämpfen, mag Flying Vinyl tatsächliche eine interessante Alternative sein. Und auch das Sammlerherz könnte an der ein oder anderen Stelle durchaus höher schlagen, denn ich könnte mir vorstellen, dass sich einige der Flying Vinyl-Releases zu begehrten Sammlerstücken entwickeln, sollte einigen der Bands der große Durchbruch gelingen. Aber Probieren geht an dieser Stelle vermutlich über Probieren. Craig Evans sagt selbst, dass er jenen, die skeptisch sind, dazu rät Flying Vinyl einfach mal für einen Monat auszuprobieren. Schließlich kann man ja jederzeit wieder kündigen, wozu es seiner Ansicht nach aber niemals kommen wird: „Generally people get hooked the minute they get the first pack!“
Zum Abschluss würde ich gerne von euch wissen, ob ihr euch vorstellen könnt, ein solches Abonnement für Vinyl abzuschließen oder ob es euch eher geht wie mir. Antworten gerne in den Kommentaren (oder auf Facebook).