Seit dem 17. Dezember 2022 dreht sich eine Ausstellung der Nationalgalerie der Gegenwart in Berlin rund um die Schallplatte. Logisch also, dass ich dem beheimatenden Hamburger Bahnhof (ja, so heißt das in den 1840ern entstandene Gebäude in Berlin-Moabit) einen Besuch abstatten musste. Zu meiner Überraschung war die Ausstellung an einem Sonntag Nachmittag sehr gut gefüllt. Im Eingangsbereich reihte sich sogar eine Schlange vor den Kassen, was nun wirklich nicht der Normalfall ist. Ich bin mir nicht sicher, ob es an der hohen Anziehungskraft der Schallplatte liegt oder einfach an dem ungemütlichen Schietwetter, das genauso gut nach Hamburg gepasst hätte.
In insgesamt zehn Kapiteln beleuchtet „Broken Music Vol. 2“ die Entwicklung der Schallplatte als Medium der Kunst in den vergangenen 70 Jahren. In den bei jedem Besuch aufs Neue beeindruckenden Rieckhallen – früher die Lagerhallen auf dem ehemaligen Güterbahnhof hinterm Hamburger Bahnhof – entfaltet sich die Ausstellung auf 2500 Quadratmetern. Für Besucher*innen gibt es also mehr als genug zu entdecken. Da ist es sehr praktisch, dass einem zu Beginn des Besuchs ein mobiles Gerät samt Kopfhörern zur Verfügung gestellt wird. Mit diesem Audioguide können Sounds aus rund 90 ausgewählten Schallplatten der Ausstellung angehört werden. Dazu müssen einfach die QR-Codes an den gelb hinterlegten Covern gescannt werden. An Hörstationen gibt es die Möglichkeit, geschnittene Stücke in voller Länge sowie ganze Alben vertiefend zu hören.
Plattenladen in Wilmersdorf als Ausgangspunkt
Erste Station der Ausstellung ist eine Einführung in die „gelbe MUSIK“. Hier handelt es sich um einen Plattenladen in der Schaperstraße in Berlin-Wilmersdorf, der gleichermaßen als Galerie fungierte. 1981 wurde er von Ursula Block eröffnet, die den Laden immerhin bis 2014 betrieben hat. Die „gelbe MUSIK“ entwickelte sich mit den Jahren zu einer bekannten Adresse für den Austausch zwischen Künstler*innen. Bekannte Musiker*innen und Bands wie Björk, Yoko Ono, Sonic Youth oder John Cage, der in der Ausstellung häufig Erwähnung findet, gingen in Wilmersdorf ein und aus.
Der Name „gelbe MUSIK“ nimmt Bezug auf die synästhetische Vorstellung des Malers Wassily Kandinsky (1866-1944) über das Verhältnis von Farbe und Musik. In einem Essay assoziierte Kandinsky die Farbe Gelb mit einer ’scharf geblasenen Trompete‘.
Das Verhältnis von Kunst und Musik war die Grundlage für zahlreiche Ausstellungen von Ursula Block in ihrem Laden. Die wohl wichtigste – und auch international beachtete – lautete auf den Namen „Broken Music. Artists‘ Recordworks“ und ist quasi die Vorarbeit für die aktuell im Hamburger Bahnhof zu sehende Präsentation. „Broken Music“ zeigte 1989 die Arbeiten bildender Künstler*innen, die sich mit dem Medium Schallplatte beschäftigten – egal ob optisch oder akustisch. Der Name geht auf das Kunstprojekt ‚Broken Music‘ von Milan Knižák aus den 1960ern zurück, der Schallplatten zerstörte, bemalte, beklebte oder zerbrach. „Ein Brechen mit überkommenen Vorstellungen als Aufbruch zu etwas Neuen“, so der Pressetext.
Plattencover und Klanginstallationen
Die folgenden thematischen Kapitel der Ausstellung widmen sich Komplexen wie „Sound Sculpture & Installation“, dem Verhältnis von Pop-Musik und Kunst, elektronischer Clubmusik (‚Art goes Club‘) oder Label Art Collaborations, in deren Rahmen The Vinyl Factory eine zentrale Rolle spielt. Bisweilen hat man das Gefühl sich in einer begehbaren Platten(cover)sammlung zu befinden, zu sehen sind dabei Schallplatten von experimentellen Künstler*innen, aber auch von bekannten Namen wie Yoko Ono, Yello, Laurie Anderson, Black Flag oder Die Tödliche Doris. Freilich ist das nicht alles und Besucher*innen bekommen raumfüllende Klangarbeiten und Sound-Installationen zu hören und sehen, die allerdings – zumindest meiner nicht unbedingt kunstgeschulten Meinung nach – teilweise sehr abstrakt sind. Wer tatsächlich alles an Informationen und vor allem Klängen aufnehmen möchte, sollte für den Besuch der Ausstellung ein paar Stunden einplanen.
Öffnungszeiten und Tickets:
Die Ausstellung ist für Besucher*innen noch bis zum 14. Mai 2023 geöffnet. Die Eintrittskarte kostet 14€ (ermäßigt 7€) und berechtigt zum Besuch der übrigen Ausstellungen im Hamburger Bahnhof. Die Tickets können im Onlineshop der Staatlichen Museen zu Berlin erworben werden oder natürlich vor Ort, wo ihr aber eventuell ein Warten in der Schlange einkalkulieren müsst.