Also jetzt mal ehrlich. Als die ersten Klänge des neuen Sigur Ros-Albums aus meinen Boxen strömten, dachte ich, ich hab aus Versehen den falschen Song angemacht. Das klang irgendwie nach Mogwai. Oder meinetwegen auch Explosions In The Sky. So aggressiv, fast industriell und ganz anders als die Sachen, die Sigur Ros in den vergangenen Jahren abgeliefert haben. Erst mit dem Einsetzen von Jonsis Stimme nach knapp 40 Sekunden war mir klar, dass ich mich doch nicht vertan habe. Das sind tatsächlich Sigur Ros!
Was ist da bloß passiert? „Takk“ – immerhin auch schon von 2005 – war das letzte Album der Isländer, das mich wirklich begeistern konnte. Ich kann euch heute noch erzählen, wann und an welchem Ort ich „Glosoli“ das erste Mal gehört habe und wie mir die Gänsehaut über den Rücken lief, als der Song nach 4 1/2 Minuten in eine wahre Postrock-Explosion mündet. Keine Frage, „Takk“ unterschied sich damals gewaltig von den beiden Vorgängern „Ágætis byrjun“ und „( )“. Einen Song wie „Hoppipola“ – so fröhlich, ja optimistisch – gab es zuvor nicht. Auf Drowned In Sound wird Bassist Georg Holm mit den treffenden Worten zitiert: „It is true that our records have got happier and happier!“ Eine Entwicklung, die sie in den vergangenen Jahren konsequent fort geführt haben.
Aber das nicht unbedingt zu ihrem Vorteil! Schon „Með suð í eyrum við spilum endalaust“ hat mich nicht mehr so wirklich begeistern können, von „Valtari“ – erst letztes Jahr erschienen – war ich ziemlich enttäuscht. Ein schlechtes Album klingt zwar anders, aber die Songs wirkten schlichtweg langweilig, ganz so als seinen den Jungs um Jónsi Birgisson die Ideen ausgegangen. Dessen Soloausflug schlug in die gleiche Kerbe aus Fröhlichkeit und Ausgelassenheit. Auf plattentests.de ist passenderweise von „in Glückseligkeitsgeysiren badenden Arrangements“ die Rede.
Offensichtlich hat die Band aber selber gemerkt, dass sie sich im Kreis dreht. Stillstand gleich Rückschritt und so. Vielleicht hat es auch etwas mit dem Ausstieg von Gründungsmitglied Kjartan „Kjarri“ Sveisson zu tun, dem einzigen Musiker der Formation mit klassischer Ausbildung. Jedenfalls ist der neue Sound direkter. Deutlich aggressiver. Düsterer. Drowned in Sound fasst das Ganze in eine äußerst deskriptive Metapher: „If Sigur Rós’ music has all too often been derided as whale song then here the beast is dying, blood slicking the water and lapping towards the shadows.“ Noch Fragen? Sigur Ros schließen ungefähr da an, wo sie mit „( )“ vor elf (!) Jahren aufgehört haben. Auf der Webseite von Sigur Ros könnt ihr euch das komplette Album übrigens im Stream anhören. Ich muss zugeben – auch wenn dieses Urteil vielleicht etwas unreflektiert sein mag – mich hat „Kveikur“ nach den ersten paar Durchläufen schlicht umgehauen und ich werde mir das Album definitiv auf Vinyl besorgen! Nur in welcher Edition weiß ich noch nicht so genau…
Kveikur-Vinyl in verschiedenen Varianten und Preisklassen
Dass Sigur Ros ihr neues Album nicht einfach als lieblose Standardvinyl veröffentlichen würden, ist zu erwarten gewesen. Als „normale“ Doppelvinyl zahlt ihr für das Album im Shop von Sigur Ros 21 Euro (kleiner Tipp: bei einigen deutschen Mailordern gibt es das Doppelalbum für 19,99 Euro und ist vermutlich schneller da!). Für die erweiterte Variante müsst ihr 27 Euro hinblättern. Dazu erhaltet ihr zusätzlich eine 10“-EP mit drei Songs, u.a. einen Blank Mass Remix der ersten Single „Brennisteinn“. So weit ich weiß, ist diese Version auf offiziellem Wege nicht in Deutschland erhältlich. Das gilt auch für die beiden Vinyl Bundles, die ein beidseitig bedrucktes schwarzes Shirt enthalten – wahlweise in den Größen S bis XXL. Kostenpunkt 42 Euro, in der Variante mit EP 48 Euro. Wer neben der Vinyl noch ein wenig Geld übrig haben sollte, kann sich im Sigur Ros Online Store weitere Artikel zu Kveikur wie Jutebeutel, Poster oder Shirts bestellen.
Tracklist
1. Brennisteinn (7:44)
2. Hrafntinna (6:22)
3. Ísjaki (5:03)
4. Yfirborð (4:19)
5. Stormur (4:55)
6. Kveikur (5:55)
7. Rafstraumur (4:57)
8. Bláþráður (5:11)
9. Var (3:43)
Erscheinungsdatum: 14. Juni 2013
Label: XL Recordings
Gesamtspieldauer: 48:09 Minuten