Alben in verschiedenen Vinyl-Variationen sind nichts wirklich Neues mehr. Besonders beliebt als extra Gimmick sind Shirts, Poster und/oder Kunstdrucke – wahlweise vom Künstler signiert. Über ein nicht minder hohes Ansehen verfügen Boxsets, deren schicke Verpackung das eigene Plattenregal aufwertet. Leider ist zunehmend die Tendenz zu beobachten, dass Labels den Vinylfans unsinnige Editionen ohne Mehrwert andrehen möchten. Jüngstes Beispiel ist das von vielen vermutlich heiß ersehnte Album von Florence + The Machine.
Auch wenn ich an dieser Stelle bereits häufiger über Boxsets geschrieben habe, bin ich nicht unbedingt der größte Fan davon. Zumindest dann nicht, wenn der musikalische „Nutzen“ nicht größer ist als auf der normalen Albumversion – durch seltene B-Seiten, coole Remixes, tolle Non-Album Songs oder was auch immer. Mit irgend welchen Stickern, Badges oder Postern kann man mich in der Regeln kaum begeistern. Auch mit tollen Verpackungen nur selten. Vinyl ist zum Musikhören da und nicht zum dekorativen „ins Regal stellen“!
Ein Album in sechs Teilen
Als in der vergangenen Woche die Ankündigung des neuen Albums von Florence + The Machine über die verschiedenen Kanäle verbreitet worden ist, habe ich natürlich neugierig auf den Link zum bandeigenen Onlineshop geklickt. Die Vielzahl an aufpoppenden Auswahloptionen verwunderte mich zunächst nicht. Zu gewöhnlich ist der Anblick mittlerweile geworden.
Als die Preise dann aber erst bei 96 Euro aufhörten, musste ich mich doch näher mit den verschiedenen Editionen beschäftigen – auch ohne jegliche Motivation das neue Album bestellen zu wollen. Besondere Aufmerksamkeit erregten die zwei angebotenen Boxsets. Die mit einem Preis von immerhin 68 Euro „günstigere“ Variante besteht aus 6 Seven Inches, die in einer Box mit Klappdeckel aufbewahrt werden. Sonstige Extras Fehlanzeige. Oh Moment, nein, um hier nichts zu unterschlagen: Der Käufer erhält ein Booklet und den exklusiven Song „As Far As I Could Get“, der auf keiner anderen Albumversion enthalten sein wird, gratis dazu. Zu freundlich aber auch.
Es tut mir leid, wenn ich hier ein wenig in Sarkasmus abdrifte. Ich stelle mir nur die Frage, wen das Label (im übrigen Universal Music) hier eigentlich verarschen möchte? Man muss sich das einmal bildlich vor Augen führen: Wenn ich das Album in voller Länge durchhören möchte, muss ich ein Dutzend mal zum Plattenspieler rennen, um die 7“ zu wechseln bzw. umzudrehen! Noch unbequemer kann ich den Hörgenuss kaum gestalten. Nur der Vollständigkeit halber: Wer das Boxset für 96€ bestellt, erhält als Extra einen exklusiven handnummerierten Kunstdruck. Jippiekajeh!
Um das noch einmal festzuhalten: Für 68 Euro erhalte ich ein Album mit Booklet und einem Extra-Song! Dass das Ganze in einer schicken Box enthalten ist – who cares? Ich frage mich ernsthaft, wer eine solche Edition kauft… Zugutehalten muss man dem Label allerhöchstens, dass es auch die einfache Version auf schwarzem Doppelvinyl anbietet. Leider wird einem von Labelseite mittlerweile allzu oft eine ach so tolle Limited Edition angepriesen, ohne dass die Möglichkeit vorhanden ist, sich für die normale Version zu entscheiden. Doch auch an dieser Stelle wird es dem potentiellen Käufer schwer gemacht, auf den Bestellbutton zu klicken. Der Preis von 27€ für die Doppelvinyl hat sich gewaschen – erst recht, wenn man bedenkt, dass Platten direkt beim Künstler in der Regal weitaus günstiger angeboten werden als im Handel. Es ist also davon auszugehen, dass das Album nicht für unter 30€ in die Plattenläden kommen wird.
Warum Seven Inch-Boxsets einfach keinen Sinn machen
Grundsätzlich mag ich Seven Inches sehr gerne. Insbesondere für Split Releases machen sie sehr viel Sinn, wenn zwei (befreundete) Bands einen oder zwei Songs beisteuern, die sonst auf keinem Album enthalten sind. Ich besitze selber zahlreiche Seven Inches (vornehmlich aus dem Hardcore-Bereich), die regelmäßig den Weg auf meinen Plattenteller finden.
Als Albumformat taugen Seven Inches hingegen nicht. Ein Album ist ein Gesamtkonstrukt, das sich in der Regel beim kompletten Durchhören vom ersten bis zum letzten Song erschließt. Die künstliche Trennung in verschiedene Einzelsongs bringt dieses Konstrukt zum Einstürzen. Bei der Zusammenstellung von David Guettas größten Hits mag das nicht weiter stören, bei einem Werk wie „Dark Side of The Moon“ geht der Gesamteindruck aber komplett flöten, um nur ein Beispiel zu nennen.
Es ist mir bewusst, dass das neue Album von Florence + The Machine nicht das erste Boxset dieser Art ist. Ich erinnere mich dunkel an den Black Friday 2011 als ausgerechnet Pink Floyd ein „The Wall Singles Boxset“ bestehend aus 3 Seven Inches heraus brachten. Zugegeben, es handelte sich hier nicht um das vollständige Album, sondern lediglich um die Single-Auskopplungen im Original-Artwork. Und dennoch ergibt die Version für mich einfach keinen Sinn. Auch bei den Fans scheint es nicht besonders gut angekommen zu sein. Ich kenne zumindest einen Plattenladen in Berlin, in dem ein Exemplar der Edition im Regal langsam einstaubt.
Ganz unbelastet bin ich aber zugegebenermaßen auch nicht, was solche Boxsets anbelangt. Vor knapp zwei Jahren habe ich „The North Borders“ von Bonobo weit vor dem offiziellen Verkaufsstart im Limited Edition Deluxe Boxset online vorbestellt. Das Boxset besteht aus sechs Ten Inches, die jeweils in eigens designten Hüllen enthalten sind, sowie drei Postern und der CD-Version. Wobei ich festhalten muss, dass ich für das Boxset damals bei Ninja Tunes nicht einmal 50 Euro bezahlt habe. Trotzdem würde ich es mir nicht noch einmal kaufen. Ich liebe Bonobo und „The North Borders“ ist ein tolles Album, aber auf Vinyl höre ich es mir selten bis gar nicht an. Das ständige Gerenne zum Plattenwechseln macht den Hörgenuss einfach zunichte. Noch nie hat eine CD als Extra für mich derart viel Sinn gemacht wie hier. Eine (im Höchstfall zwei) schwarze oder farbige Vinyl sind doch immer noch der beste Weg, um ein Album in höchstem Maße zu genießen!