Im September herrschte große Aufregung in meiner Vinyl-Bubble auf Instagram. Der Grund: Pale haben die Veröffentlichung ihres fünften und definitiv letzten Albums „The Night, The Dawn And What Remains“ bekannt gegeben. Und ganz offensichtlich hat die Band auch mehr als zehn Jahre nach ihrer Auflösung mehr als bleibenden Eindruck bei vielen Hörer*innen hinterlassen. Wer Pale nicht kennt (soll ja durchaus vorkommen): die Jungs aus Aachen waren in den 2000ern eine der aufregendsten Indie/Emo-Whatever Bands des Landes. Mit „Razzmatazz“ und „How To Survive Chance“ auf dem grandiosen Kölner Label Defiance Records haben sie zwei vor tanzbaren Hymnen strotzeden Alben veröffentlicht bevor mit „Brother. Sister.Bores!“ der Wechsel zum Grand Hotel van Cleef folgte. Und damit auch hin zu einer größeren Öffentlichkeit.
Ich habe die Band vor knapp 20 Jahren im Cadillac in Oldenburg gesehen und die Spielfreude der Jungs ist heute noch in meinem Hinterkopf präsent und zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen. Leider gelingt es mir nicht, herauszufinden in welchem Jahr es war, da ich die Eintrittskarte nicht mehr habe und auch online absolut nichts dazu zu finden ist. 2009 hat sich die Band dann aufgelöst, ihre Platten haben aber auch danach immer wieder den Weg auf meinen Plattenteller gefunden.
Dem Schicksal zum Trotz – Pale feiern das Leben
Der 25. November 2019 ist ein Tag, der für die Band und seine Mitglieder alles ändert. Bei Gitarrist Christian Dang-Anh wird ein Hirntumor entdeckt und auch Schlagzeuger Stephan Kochs erhält an dem Tag eine folgenschwere Diagnose, die ihn dazu zwingt, sein Leben umzukrempeln und verhindert, dass er je wieder hinten den Drums sitzen kann. Trotzdem oder gerade deswegen finden die Mitglieder wieder zueinander und beschließen gemeinsam Musik zu machen. Wie es der Zufall so will halten Fans auf den Tag genau drei Jahre nach den schicksalhaften Diagnosen die Songs in Albumform in Händen, die in diesem Prozess entstanden sind. Christian Dang-Anh hat an diesen Songs noch mitgewirkt, leider ist er aber im Mai 2021 seinem Krebsleiden erlegen.
Es ist schlicht nicht möglich dieses Album unabhängig von diesen Schicksalsschlägen zu hören und zu betrachten. Natürlich strotzt dieses Album in seinen Texten und Melodien nur so vor Pathos und Sentimentalität. Von Wehmut ist auf „The Night, The Dawn And What Remains“ aber keine Spur. Das Album ist eine Feier des Lebens. Und der Freundschaft. Dazu muss man sich nur „Bigger Than Life“ anhören, in dem die Band Abschied von Christian nimmt.
„You go, you go where nobody knows.
We stay, we stay while holding you close.
How it hurts to see you leave in disguise.
You know, you know you’re bigger
than life.„
Ein Album als perfekter Abschied
„It’s the last song of a band
that already played its final show.
All the time they spent together,
things were easy then. The last time
that they met was years ago. (…)
Oh, someday you will know why I never
let you go. Oh, someday you will see how
it was all meant to be. It was four of us.
And we just had each other. Four of us.
We were in this together.„
Der letzte Song des Albums trägt den Titel „Someday You Will Know“ und perfekter könnte der Abschluss nicht sein. Er steht exemplarisch dafür, wie viel Herz und Wärme in den zehn Songs und den Texten steckt. Wen diese Musik kalt lässt, der sollte lieber Radio hören. Die Songs werden opulent von Streichern und Bläsern oder auch dem Berliner Kneipenchor („500 Songs“) begleitet. Beim Hören fühle ich mich direkt wieder wie in meinen 20ern. So als wären Pale nie weg gewesen.
Apropos „final show“: Am 2. März 2023 spielt die Band im Kölner Gloria einen allerletzten Gig. Auf Instagram zeigen sich Pale ernsthaft davon überrascht, dass das Konzert nicht mal eine Woche nach der Ankündigung restlos ausverkauft ist. Dabei berührt die Band mit ihrer Musik ganz offensichtlich eine Menge Menschen. Ich habe die Band bereits nach ihrem ersten Auflösen vermisst. Und werde es jetzt erst Recht tun. Pale haben sich in mein musikalisches Gedächtnis gespielt. Und wenn ich mir meine Instagram-Bubble anschaue, anscheinend nicht nur meines. Dieses Album zaubert einem trotz der Schicksalsschläge ein Lächeln auf die Lippen. Und nach dem Hören möchte ich eigentlich nur rausgehen und alle Menschen umarmen, die mir am Herzen liegen. Ein wunderschönes Stück Musik zum Abschied. Tschüss Pale!
Vinyl der Woche: Schwarzes Vinyl und sonst nix!
Wenn ihr euch das Album gerne auf Vinyl holen möchtet, braucht ihr nicht groß darüber nachdenken, welche Edition euch am besten gefällt. Es gibt nämlich nur eine. Und zwar das gute alte schwarze Vinyl. Die limitierte Edition samt Stoffbeutel und 7″-Single, die an Vorbesteller bereits Ende September verschickt worden ist, ist beim Label Grand Hotel Van Cleef bereits ausverkauft.
vinyl der woche