Eigentlich sollen an dieser Stelle Platten als Vinyl der Woche gekürt werden, die auch am jeweiligen Freitag veröffentlicht worden sind. Obwohl heute neue Platten von The Mars Volta, Whitney oder Clutch erscheinen, hat mich keiner der Releases so richtig vom Hocker gehauen. Aus diesem Grund habe ich mich heute für eine Platte entschieden, die sich erst nach Release in der vergangenen Woche gemütlich in meinen Gehörgängen eingenistet hat.
„Hideous Bastard“ ist das Debütalbum von The xx-Frontmann Oliver Sim, das er gemeinsam mit Bandkumpane Jamie XX produziert hat. Als Fan der Band fühlt man sich in den ersten Sekunden auch direkt heimisch, wenn einem Oliver die Worte „I am ugly“ entgegen schleudert. Lyrisch ist das Ganze durchaus harter Tobak. Oliver verhandelt in dem Track seine HIV-Infektion und stellt sich die ernsthafte Frage, ob er abstoßend (also „hideous“) sei. Die Arbeit an dem Album bezeichnet er nicht umsonst als Heilungsprozess. „Die Songtexte handeln von Scham und Angst, die dazu geführt haben, dass ich mich versteckt habe„, erklärt er in einem Interview, das passenderweise in der heutigen Ausgabe der taz vor mir auf dem Frühstückstisch lag.
Da zwei Mitglieder der Band federführend an „Hideous Bastard“ beteiligt sind, erinnert an dem Album natürlich vieles an The xx. Fans sollten hier definitiv mal reinhören, denn wer weiß, wann bzw. ob es überhaupt jemals Neues von der Band zu hören gibt. Aussagen dazu sind mir nicht bekannt und das letzte Album ist immerhin bereits sechs Jahre alt. Unterschiede zur Hauptband sind aber auf dem Debütalbum des Frontmanns mehr als wahrnehmbar. So bricht Olivers Stimme immer wieder aus dem doch recht monotonen The xx-Universum aus. „Hideous Bastard“ ist viel mehr Pop als es The xx mit ihrem düsteren Postpunk je waren. Trotz der Lyrics wirken die Songs leichter und tanzbarer, wofür vor allem auch die beiden – vielleicht bewusst – vorab ausgekoppelten Singles „Fruit“ und „Romance With A Memory“ verantwortlich sind.
Oliver Sims Debütalbum hinterlässt auf alle Fälle Spuren, insbesondere wenn man sich tiefgründiger mit den Lyrics beschäfigt, denn ganz ehrlich: lange habe ich nicht mehr derart schonungslose Texte gehört, die so konkret und unmissverständlich formuliert sind, dass man die besungene Scham quasi durch die Plattenrillen hören kann. Ich hoffe, dass ich das Ganze mal irgendwann live erleben kann, der Gig von Oliver Sim am 26. Oktober im Berliner Admiralspalast ist leider abgesagt.
Horror-Kurzfilm in drei Teilen zu „Hideous“
Zum bereits erwähnten ersten Song der Platte hat Oliver zusammen mit Regisseur Yann Gonzalez einen dreiteiligen Kurzfilm mit dem gleichnamigen Titel „Hideous“ gedreht. Auch hier geht es um die HIV-Erkrankung des Sängers und die damit einhergehende Stigmatisierung. In dem Film verwandelt sich ein Popstar nach seinem Coming-Out bedingt durch die Häme des Publikums in ein Monster. Teilweise erinnern die Bilder an trashige Splatterfilme, der Sänger selbst beschreibt den Film als „queere Horror-Fantasy“.
Den Kurzfilm könnt ihr euch online bei Mubi anschauen (es gibt eine 7tägige Testversion) oder am kommenden Donnerstag im Rahmen des Reeperbahn Festivals im Kino anschauen.
Vinyl der Woche in verschiedenen Farben und Varianten
Neben dem üblichen schwarzen Vinyl gibt es eine limitierte Edition des Albums auf blutrotem Vinyl. Wer lieber ein wenig mehr Geld in die Hand nehmen möchte, kann sich auch die Deluxe Edition auf Clear Vinyl ins Plattenregal stellen. Die Deluxe Edition kommt im Die-Cut Gatefold Sleeve und samt exklusivem Poster. Bei Blood Records gab es eine auf 500 Exemplare limitierte Edition auf Transparent Blood Red Splatter Vinyl, die bereits ausverkauft ist. Für Liebhaber der guten alten Kassette gibt es das Album im Bandshop auf Tape. Dort findet ihr auch noch Bundles mit Vinyl, Kassette und einem signierten Print.
vinyl der woche