Vor wenigen Wochen hat Pelagic Records in seinem Newsletter einen geheimen Release angekündigt, der ab sofort vorbestellt werden konnte. Kund*innen sollten also quasi die Vinyl im Sack kaufen, denn Band oder Künstler*in wurden vorher nicht bekannt gegeben. Ich habe trotzdem auf den Pre-Order-Button geklickt, da ich das Ganze sehr spannend fand und bereits viele tolle Releases von Pelagic in meiner Plattensammlung stehen habe – mehr als 40 an der Zahl.
Am Wochenende ist die Platte nun endlich eingetrudelt. Und was kann ich sagen… das Label hat mich nicht enttäuscht. Da am Tag der Ankündigung des geheimen Releases ein Song von The Ocean veröffentlicht worden ist, war die Vermutung naheliegend, dass es sich um eine Vinyl der Band von Labelchef Robin Staps handelt. Doch weit gefehlt. Nach dem Auspacken des Pakets hielt ich die neue 12″ EP der französischen Band Bruit ≤ in den Händen.
Die Grenzen des Postrock werden neu gedacht
Meine Freude darüber hätte kaum größer sein können. Zum einen habe ich die Band im November im Urban Spree live gesehen. Ein Konzert, das mich komplett umgehauen hat. Zum zweiten hat die Band in meinen Ohren mit ihrem Debüt „The Machine Is Burning And Now Everyone Knows It Could Happen Again“ eines der spannendsten Postrock-Alben der letzten Jahre veröffentlicht. Mit der neuen EP gehen sie aber in eine etwas andere Richtung.
Mit Postrock geschweige denn Metal haben die drei Tracks nichts mehr gemeinsam, härtere Gitarrenausbrüche suchen Hörer*innen hier vergebens. Der einsteigende Track „La sagesse de nos aïeux“ hat etwas Neoklassisches und würde einem jedem Filmscore gut zu Gesicht stehen. Streicher dominieren die melancholische Szenerie, erst kurz vor Ende der sieben Minuten geht der Song in eine für die Band fast schon gewohnte Spoken Word-Passage über. Auch die beiden folgenden Tracks sind insgesamt sehr meditativ, minimalistisch und von Streichern dominiert (elektronische Drumspielereien sind hier das Höchste der Gefühle), aber emotional derart ergreifend, dass man fast schon traurig ist, dass man nach dem Ende der B-Seite zurück in der Realität ist. Zum Glück lässt sich die Platte direkt umdrehen und von vorne abspielen.
Erfolg auch ohne Spotify und Co.
Die drei Songs sind auch ein Resultat des Tourlebens des letzten Jahres. Zwischendurch brauchte die Band immer wieder Momente, um anzuhalten, zu meditieren und sich einen Schritt zurückzunehmen. „Diese musikalischen Meditationen wurden in die Form einer Ambient-EP gegossen, auf der wir in der Lage waren, unsere Idee eines Musikrefugiums frei zu erforschen“, so die Band im Text zur Platte.
Es ist schön zu sehen, dass eine Band wie Bruit ≤ mit ihrem Konzept so viel Erfolg hat. So sie ist z.B. nicht bei Spotify vertreten, eine Plattform, welche die Band geradezu verteufelt. Der Song „Parasite (The Boycott Manifesto)“ ist eine wütende Anklage an Spotify und seinen Gründer Daniel Ek. So heißt es in den Spoken Words u.a.:
„Long before streaming, the industry was already transforming art into a product of mass consumption and crushing artists to create a monopoly.
The term „music industry“ implies that art is created in huge quantities like cars built on an assembly line, leading music companies to raise artists like chickens on a factory farm. „
Trotz ihrer Verweigerungshaltung ist die Vinylauflage des Debütalbums von knapp 3000 Exemplaren bei Pelagic Records bereits vergriffen, was für eine nicht unbedingt eingängige Band wie Bruit ≤ schon beeindruckend ist. Die Band ist für mich nicht nur eine der spannendsten Bands im eh schon ziemlich hochwertigen Label-Roster von Pelagic Records, sondern auch sonst bin ich sehr gespannt, was von der Band in Zukunft noch zu erwarten ist. Die zweite EP macht auf alle Fälle Lust auf mehr!
Vinyl der Woche direkt beim Label
Nach der Ankündigung des Secret Releases an alle Newsletter-Empfänger waren zwei der drei farbigen Editionen recht fix ausverkauft. Die von mir bestellte Apologie Edition, eine Splatter-Variante, ist besonders schön geworden wie ich finde (hier geht es zum Unboxing-Video). Von der auf 500 Exemplare limitierten Rêveur Lucide Editon (Galaxy Vinyl) gibt es im Labelshop von Pelagic Records noch ein paar Exemplare. Von der schwarzen Vinyl ebenso. Bislang ist der Release online noch in keinem Plattenladen gelistet worden, ich würde dies für einen späteren Zeitpunkt aber nicht ausschließen.
vinyl der woche