Partisan Records sind so was wie das Label der Stunde. Oder streng genommen der letzten Jahre. Der Labelkatalog ist zwar recht übersichtlich, dafür aber hochkarätig besetzt. Mit Fontaines D.C. und Idles haben sie zwei Bands in ihrem Roster, die in den letzten Jahren regelmäßig in nahezu allen relevanten Album des Jahres-Listen aufgetaucht sind. Hinzu kommen die von Fans und Kritik gleichermaßen gefeierten Cigarettes After Sex, Chubby & The Gang und die im letzten Jahr ordentlich durchgestarteten Just Mustard. Allesamt Bands, deren Alben in meiner Zeit im Dodo Beach Plattenladen zu Dutzenden über den Tresen gegangen sind.
Unfehlbares Gespür für tolle Musik
Jetzt ist mit Blondshell und ihrem selbstbetitelten Debütalbum der nächste Release von Partisan Records in die Plattenregale geflattert. Und was soll ich sagen? Das Label hat offensichtlich ein unfehlbares Gespür für tolle Musik. Aber der Reihe nach.
Hinter Blondshell verbirgt sich die 25jährige Singer-Songwriterin Sabrina Teitelbaum. Nach anfänglichen Ausflügen in düstere Popmusik hat Corona zu einer Neuausrichtung ihrer Musik geführt. Als Einflüsse gibt sie selber 90s Alternative Rock der Marke Hole sowie PJ Harvey oder Patti Smith an. Mir würde nach dem Hören noch Courtney Barnett als Referenz einfallen. Oder die 2022 auf meiner musikalischen Landkarte eingeschlagenen Momma, deren überragendes Album „Household Name“ eine meiner meist gehört Vinyl Schallplatten des Jahres war.
Das dem Debütalbum zugrunde liegende Thema ist zugegebenermaßen nicht besonders originell: eine in die Brüche gegangene Beziehung. Doch das macht gar nichts, wenn man es derart wundervoll umsetzt wie in den neun Songs. Sowohl musikalisch als auch textlich.
„I’m going back to him / I know my therapist’s pissed / We both know he’s a dick / At least it’s the obvious kind (…) He wears a front-facing cap / The sex is almost always bad / I don’t care ‚cause I’m in love / I don’t know him well enough / What am I projecting? / He’s gonna start infecting my life / It will hit all at once like sepsis.“
Neben toxischen Beziehungen geht es in den Songs um ihren eigenen Alkoholmissbrauch (seit 2020 ist sie abstinent), Mordphantasien, Gender und Empowerment und natürlich Ängste und Traumata. Trotz der zwischen den Zeilen stets spürbaren Wut, die instrumental unterlegt wird, begegnet sie diesen Gefühlen mit einem nüchternen Wortwitz. Die Lektüre des Lyric Sheets sei euch definitiv ans Herz gelegt. Grad in den ruhigen Momenten schwingt immer wieder die eigene Zerbrechlichkeit durch. Wie im abschließenden ‚Dangerous‘, das sich mit seiner zuckersüßen Hook direkt in meine Gehörgänge gefressen hat. „And it’s so dangerous / Forming an attachment to something / Know that every time I love it might pull the rug out.“
Wer boygenius mag, wird Blondshell lieben
Der Anspruch von Vinyl Fantasy Mag ist es, Alben zur Vinyl der Woche zu küren, die nicht nur musikalisch überzeugen, sondern die vielleicht nicht alle auf dem Schirm haben. Natürlich gelingt das nicht immer, aber die neuen Alben von Depeche Mode und Metallica vorzustellen, oder – um in der aktuellen Releasewoche zu bleiben – Daughter und Mudhoney, empfinde ich als recht langweilig. Weil deren Musik eben bereits jeder kennt.
Aus diesem Grund habe ich zum Beispiel die aktuelle Scheibe von boygenius nicht zur Vinyl der Woche gekürt. Alleine in meiner Instagram-Timeline wurden dutzende Fotos der verschiedenen Vinylfarben von „The Record“ gepostet und die Band wird auf allen Kanälen abgefeiert. Und das vollkommen zurecht, nur um das kurz klarzustellen, aber da muss sich dieses Magazin nicht auch noch in die Lobeshymnen über eine tolle Platte einreihen. Dann doch lieber eine Singer-Songwriterin wie Blondshell vorstellen, die medial bislang kaum präsent ist. Bei Instagram habe ich bislang kein einziges Foto ihrer Vinyl gesehen. Sehr schade, wie ich finde.
Im Pressetext steht in der letzten Zeile etwas vom „Geheimtipp am Indiehimmel 2023“. Logisch, als Label muss man so etwas schreiben, doch nach dem Hören des Albums muss ich sagen, dass Partisan Records hier erneut einen musikalischen Schatz aufgetan hat. Von Sarah Teitelbaum wird man hoffentlich noch viel hören. Der Grundstein ist mit dem tollen Debütalbum definitiv gelegt.
Im Mai spielt sie übrigens drei Termine in Deutschland in recht kleinen Venues. Für alle Shows gibt es noch Tickets zu erwerben.
Die Tourdaten im Überblick:
15. Mai 2023 | Helios 37 | Köln |
17. Mai 2023 | Privatclub | Berlin |
18. Mai 2023 | Molotow Skybar | Hamburg |
Vinyl der Woche als Clear Vinyl im Plattenladen
Im Plattenladen eurer Wahl gibt es die Vinyl der Woche lediglich in einer Farbvariante zu erwerben: auf Clear Vinyl. Momentan ist die Auflage in vielen Shops vergriffen, laut Vertrieb soll es aber zeitnah Nachschub geben. Sollte euch die Vinylfarbe nicht zusagen, könnt ihr beim Label Partisan Records auch die Variante auf schwarzem Vinyl erwerben. Hier gibt es allerdings nur eine Versandoption ohne Tracking für 7 Euro. Tracked Shipping ist mit 37€ aus unerfindlichen Gründen extrem teuer.
vinyl der woche
Blondshell – s/t
*Hinweis: es handelt sich um Affiliate-Links!