Wenn ein oder mehrere Mitglieder einer Band, deren Alben sich häufiger auf meinem Plattenteller drehen, ein musikalisches Nebenprojekt veröffentlichen, werde ich schnell hellhörig. Ein merkwürdiger Reflex eigentlich, denn längst nicht immer wissen diese Nebenprojekte zu überzeugen. Mittelmäßige Supergroups gibt es mittlerweile wie Sand am Meer und gerade bei Soloprojekten von Sängern klingt das oft viel zu sehr nach der Hauptband, so dass ich mir häufig die fast schon ketzerische Frage stelle: musste das jetzt unbedingt sein?
Heute hat Jan Korbach unter dem Namen ATEM ein Soloalbum veröffentlicht. Dieser ist Gitarrist bei neànder, die meiner Ansicht nach eine der aktuell besten und spannendsten Bands aus Deutschland sind. Auf zwei Alben und einer Maxi 12″ (die sich natürlich allesamt in meiner Sammlung befinden) zelebriert die Band eine hypnotische Mischung aus Doom, Sludge und Stoner, die mich seit dem Release der ersten Single vor drei Jahren in ihren Bann zieht. Logisch also, dass mich die Ankündigung von ATEM’s Debütalbum neugierig gemacht hat.
Glücklicherweise kann ich all die im ersten Absatz erwähnten Einwände entkräften. Nicht nur, dass „Concrete Americana“ musikalisch zu überzeugen weiß, so klingt es auch komplett anders als Jans „Hauptband“ neànder. Die einzige Gemeinsamkeit, die beide musikalisch miteinander verbindet, ist die Tatsache, dass die Songs rein instrumental ohne gesangliche Untermalung daher kommen.
Eine Hommage an den Wilden Westen und Morricone
Ihren Ursprung hat „Concrete Americana“ tatsächlich in dem Versuch, einen Song von neànder als Akustikversion aufzunehmen. Der Albumtitel gibt dabei die Richtung vor. Es ist ein Tribut an die „Musik des Wilden Westens“. Americana wird hierzulande gefühlt oft mit Country gleich gesetzt, was nicht ganz richtig ist. Auch wenn eine Schnittmenge definitiv vorhanden ist, beruht Americana auf einem Mix an traditionellen Musikstilen aus dem Mittlleren Westen und den Südstaaten der USA wie Folk, Gospel, Blues, Jazz, Bluegrass, Rock’n’Roll und eben Country. Dieser bunte Mix spiegelt sich auch im Debüt von ATEM wieder, auf dem tiefer gestimmte Akustikgitarren im Vordergrund stehen. Natürlich ist die Erwähnung von Ennio Morricone hier fast schon zwangsläufig. Immerhin sagt Jan Korbach selber, dass dessen Auftritt auf seiner „Farewell Tour“ einen bleibenden Eindruck beim Musiker hinterlassen hat. Fehlt beim Hören eigentlich nur das Lagerfeuer. Oder die fliegenden Strohballen, die über die staubige Hauptstraße geweht werden. Wobei „Concrete Americana“ alles ist, nur eben nicht langweilig.
In den fast schon cineastisch anmutenden Klanglandschaften gibt es für Hörer*innen eine Menge zu entdecken. Jeder Song ist im Prinzip wie ein eigener kleiner Kurzfilm. Quasi der einzige Kritikpunkt: das Album ist mit knapp 26 Minuten Länge sehr kurz geraten. Kaum ist man in die Klanglandschaften von ATEM abgetaucht, sind diese auch schon wieder vorbei. Da gilt es, den Repeat-Button zu drücken… sorry, ich meine natürlich, die Schallplatte einfach noch mal umzudrehen.
Vinyl der Woche mit nummeriertem Obi-Strip
Im Labelshop von Through Love Records gibt es die Platte auf schwarzem oder Green/Black Swirl Vinyl mit handnummeriertem Obi-Strip – jeweils auf 100 Exemplare limitiert. Die farbige Edition gibt es exklusiv bei Through Love, schwarzes Vinyl solltet ihr auch im Plattenladen bei euch um die Ecke bekommen. Allerdings kommt es aufgrund einer Verzögerung im Presswerk zu einer Verschiebung des Vinyl-Releases um zwei Wochen. Statt am heutigen Freitag erscheint die Vinyl jetzt erst am 18. November. Wer die Platte direkt beim Label bestellt, hat dafür ab sofort die Chance eine Testpressung zu gewinnen, wie Through Love jüngst in einem Instagram-Beitrag verkündet hat.