Als großes Spielkind, das momentan mit aller Leidenschaft versucht sein Panini-Album zur Fußball-WM zu füllen, hat mir die Ankündigung der Ultra LP ein breites Grinsen aufs Gesicht gezaubert. Für sein neuen Album „Lazaretto“ hat sich Jack White, der jüngst vom Rolling Stone als „Rock N´Roll Willy Wonka“ bezeichnet worden ist, eine ganze Menge ausgedacht. Logisch also, dass ich am Freitag nach Feierabend trotz Bullenhitze den Weg in den Plattenladen gefunden habe. Ob all die Ideen auch in der Praxis etwas taugen, habe ich einmal für euch überprüft.
Der erste Eindruck:
Der erste Eindruck nach dem Herausnehmen aus der Hülle: Die Vinyl wirkt weitaus hochwertiger als das meiste, was sonst so in den Regalen der Plattenläden lagert. Die mattierte B-Seite sieht besonders schick aus. Die Rillen zeichnen sich sehr sauber auf dem Vinyl ab. So sieht ein Liebhaberobjekt aus! Auch das Gewicht spricht für hohe Qualität. Die Schallplatte liegt schwer in der Hand. Die angeblichen 180 Gramm stellen sich auf der Waage als etwas mehr als 200 Gramm heraus. So weit, so gut.
Hidden Tracks und Hologramm:
Ebenso wichtig ist natürlich die Frage, was all die gesammelten Extras aus der Trickkiste von Mister White taugen. Ich muss zugeben, dass ich mich bislang nicht getraut habe, die Hidden Tracks unter den inneren Labels abzuspielen. Zum einen spielt mein Rega RP1 keine 78RPM ab, und zum anderen bin ich nach wie vor skeptisch, ob das Prozedere für meine Nadel unbedingt vorteilhaft ist. Deswegen haben wir die Songs bereits vor Ort im Plattenladen abgespielt. Das Ergebnis: ziemlich viel Rauschen! Und zwei Songs, die nicht wirklich einen musikalischen Genuss darstellen. An dieser Stelle wurde offensichtlich weitaus mehr Wert auf die Form als auf den Inhalt gelegt. Schon etwas enttäuschend, muss ich zugeben.
Kommen wir zum Hologramm von Tristan Duke, das vorher groß angekündigt worden ist. Dieses ist gar nicht mal so einfach zu finden. Es reicht nicht etwa (wie auf einem beiliegenden Zettel beschrieben), ein Spotlight oder eine Taschenlampe über dem Plattenspieler zu platzieren. Das Hologramm wird lediglich in einem ganz bestimmten Blickwinkel sichtbar. Und den gilt es erst einmal zu finden. Sobald man das jedoch geschafft hat, erscheinen zwei gegenüber liegende Engel. Ein kurzes Video könnt ihr auf der Facebookseite von Vinyl Fantasy Mag sehen. Hübsch anzuschauen, das Ganze!
Das Besondere der B-Seite beschränkt sich neben dem Hidden Track darauf, dass der erste Song entweder in einer akustischen oder einer elektrischen Variante abgespielt wird – je nachdem in welcher Rille man die Nadel platziert. Es besteht quasi eine 50:50-Chance, welche Version man zu hören bekommt, gezielt beeinflussen kann man das Ganze nicht.
Eine besondere LP ohne großen Mehrwert
Als Fazit könnte man fest halten, dass sich der Mehrwert für den Hörer in engen Grenzen hält. Denn mal ehrlich: wie oft stellt ihr euch mit einem Spotlight vor den Plattenspieler, um das Hologramm zum Erscheinen zu bringen? Wie oft werdet ihr es eurer Nadel antun, die rauschende und qualitativ minderwertigen Hidden Tracks anzuhören?
Doch ein solches Fazit wäre zu kurz gegriffen, denn trotz alledem ist die Ultra LP eine Besonderheit in der eigenen Plattensammlung. Ich finde es schön zu sehen, dass sich jemand mit den Möglichkeiten des Mediums auseinander setzt. Und muss zugeben, dass es mir weitaus lieber ist, eine Ultra LP mit netten Gimmicks zu bekommen als eine LP, die nur deshalb als „Special“ deklariert wird, weil sie auf farbiges Vinyl gepresst wurde. Ich halte es Jack White zu Gute, dass die Ultra LP zu einem Preis in den Handel kommt, die sich nicht von einer üblichen LP unterscheidet. Allzu oft soll man für irgend eine Limited Special Collector´s Edition zig Euro mehr zahlen als für die „normale“ Variante ohne auch nur den geringsten Mehrwert zu erhalten. Mit dem Kauf von „Lazaretto“ erhalte ich eine hochwertige Schallplatte, deren Gimmicks ich nicht mit einem horrenden Preis bezahlen muss. Wer möchte, kann die Extras einfach ignorieren und sich auf die Musik konzentrieren.
Ein abschließendes Wort zur musikalischen Qualität
Zu eben jener Musik sei gesagt, dass Jack White – böse gesagt – lieber ein bißchen mehr Energie ins Songwriting investiert hätte als in all die schönen Ideen der Ultra LP. Es ist ein gutes Album, keine Frage. Doch es fehlen die ganz großen Einfälle und Momente. Die Blues- und Americana-Momente stehen bei „Lazaretto“ eindeutig im Vordergrund. Mehr Lynyrd Skynyrd, Johnny Cash oder Neil Young (mit dem er ja jüngst für dessen aktuelles Album „A Letter Home“ zusammen gearbeite hat) als White Stripes und Detroit Rock City. Etwas provokant schreibt die Spex, dass „Lazaretto“ der „universelle Herrentags-Soundtrack für audiophile 40-Somethings“ sei. Ganz Unrecht hat sie damit nicht…