Vor wenigen Wochen bin ich über die Top 10-Platzierung der deutschen Album Charts gestolpert. Dort tummelten sich Namen wie Jan Delay auf der Eins, Helene Fischer mit gleich zwei Alben, Die Toten Hosen, Unheilig, Adel Tawil, Santiano, Andreas Kümmert und Hape Kerkeling. Die Speerspitze der unheilvollen deutschen Musikarmada. Wobei der Begriff „Musik“ an dieser Stelle arg fehl am Platz erscheint. Denn wo sind dann junge deutsche Bands wie Die Nerven, All diese Gewalt, Messer, Trümmer, FJØRT und wie sie nicht alle heißen? Und wehe mir kommt jetzt einer mit dem Namen Marcus Wiebusch! Aber zurück zum Thema: Vinyl des Monats April ist das Album einer Band, die ihr garantiert niemals in den Top10 der deutschen Album Charts finden werdet!
Das hat unter Umständen auch damit zu tun, dass die etablierte deutsche Musikpresse Human Abfall komplett zu ignorieren scheint. Ob Spex, Rolling Stone, Visions oder Musikexpress – nirgends habe ich auch nur ein Wort über die Band geschweige denn über das Album gelesen. Das scheint Blogs und Onlinemagazinen wie diesem, dem Underdog Fanzine, 12XU oder éclat Mag vorbehalten zu sein. Vielleicht haben Musikredakteure in Zeiten permanenter musikalischer Durchdringung seitens Spotify, Soundcloud, YouTube und Co. schlicht keine Zeit mehr, sich mit einem Stück Musik wie „Tanztee von unten“ auseinander zu setzen, das man – ohne der Band zu nahezu treten – durchaus als anstrengend bezeichnen kann. Dieses Album fordert dich. Es möchte, dass du dich damit beschäftigst. Es ist kein Album, mit dem man auf den Ohren durch die Straßen läuft. Kein Album fürs nebenbei im Hintergrund hören. Vinyl ist das perfekte Format für diese zehn Lieder. Platte auflegen, hinsetzen, zuhören!
Wenn ich eine Schublade öffnen müsste, würde vermutlich Krach darauf stehen. Unter der Registerkarte „Postpunk | Dada | deutschsprachig“ würden sich Human Abfall wieder finden. Als einziger Vertreter, denn die große Stärke der Band ist ihre Eigenständigkeit. Es gibt schlicht keine Band, die auch nur ansatzweise ähnlich klingt. Die fast schon klaustrophobische Stimmung, die auf dem Album entfacht wird, dieser „ausgeprägte Modergeruch, den Musik und Lyrics hier absondern„ hebt die Band aus der Masse ab. Eingängigkeit fürn Arsch! „Was Dürrenmatt für die Literatur, sind Human Abfall für die Musik“ schreibt das Label. Wer eines seiner Werke wie „Das Versprechen“ gelesen hat, weiß auf was er sich einlässt.
Artwork aus gebundenen Leinen
Ihr fragt euch jetzt, warum ihr euch ein Album kaufen solltet, das in diesem Artikel als fordernd, anstrengend und klaustrophobisch beschrieben wird? Weil es euch für anstrengende 40 Minuten belohnt! Wie schreibt Joachim Frommherz im éclat Mag so passend: „Die Musik alleine würde nicht funktionieren, dazu lärmt es manchmal zu arg. Als Einheit mit sinnigen Worten ist „Tanztee Von Unten“ aber prächtig. Die Musik klingt nach Bauch und Jam, die Texte nach Kopf. Eine wunderbare Melange.“ Ein weiterer Grund ist das hochwertige Artwork des Albums aus gebundenen, durch Buchdruck veredelten, Leinen. Und das alles in 100% Handarbeit hergestellt. Ihr solltet euch beeilen, denn die Anzahl der Kopien ist begrenzt. Drei Fünftel der Auflage sind laut Labelangaben bereits verkauft. Hört einfach mal rein:
Tracklist:
1. Überkatze
2. Psychohygiene fünf minus
3. Tanztee von unten
4. Schuldenschnitt 1997
5. 14 Tage Urlaub
6. Im Rückspiegel
7. Jetzt bleib ich alt
8. Dauerlauf
9. Abgesagt
10. Auf in die Zukunft
Gesamtspieldauer: 40:58 Minuten
Label: Sounds of Subterrania