Ist jemandem der „Battle of the Speeds“ ein Begriff? Der hat nicht etwa was mit der Formel 1 zu tun, sondern bestimmte in den 1940er Jahren die Zukunft der Musikindustrie. Die „Gegner“ damals: Columbia Records und RCA Victor. Der Hauptreis: die Vormachtstellung auf dem Schallplattenmarkt.
Während es für den Musikhörer heutzutage normal ist, dass eine Vinyl mit 33 1/3 oder 45 Umdrehungen pro Minute abgespielt wird, griff man bis Ende der 1940er auf so genannte 78s zurück. Deren großer Nachteil war nicht nur, dass sie schnell zerbrachen oder beschädigt werden konnten, sondern dass sie – je nach Größe – maximal 4 1/2 Minuten Musik pro Seite abspielen konnten.
Zwar hatte das bereits erwähnte RCA Records schon 1931 die Geschwindigkeit von 33 1/3 Umdrehungen eingeführt, doch das bis dato genutzte harzige Schellack-Material war dieser Entwicklung nicht gewachsen. Erst als Columbia Records 1948 die erste aus Vinyl-Kunststoff gefertigte Schallplatte vorstellte, das ja bekanntlich bis heute zur Herstellung genutzt wird, war auch das problemlose Abspielen mit 33 1/3 Umdrehungen möglich. Die erste Vinylschallplatte hatte einen Durchmesser von 30 cm, also das allseits bekannte Format von 12 Inch. Die ersten Aufnahmen, die jemals auf einer 12“ Vinyl veröffentlicht wurden, waren ein Violin-Konzert von Mendelssohn, das Nathan Milstein mit den New Yorker Philharmonikern aufführte. Innerhalb des ersten Jahres nach der Markteinführung verkaufte Columbia Records mehr als 3 Millionen LPs.
Von dieser Entwicklung aufgeschreckt, machte sich RCA an die Produktion einer eigenen Schallplatte aus Vinyl, die bei einem Durchmesser von 17cm mit einer Geschwindigkeit von 45 Umdrehungen pro Minute abgespielt werden musste. Die Seven Inch Vinyl-Single war geboren! Am 31. März 1949, also ein knappes Dreivierteljahr nach der 12“, kam die erste Vinyl-Single schließlich auf den Markt. Um den ultimativen Musikgenuss zu garantieren entwickelte RCA gleichzeitig einen Plattenwechsler, der es erlaubte, mehrere Singles in Spindeln über dem Plattenteller zu platzieren. Die Platten sollten schnell und automatisch hintereinander aufgelegt werden, um das ununterbrochene Hören der Songs zu ermöglichen.
Auf Seiten der Hersteller von Plattenspielern sorgte der „Battle of the Speeds“ zunächst für große Unsicherheit. Immerhin wusste niemand einzuschätzen, welche der beiden Geschwindigkeiten beim Hörer besser ankommen und sich letztlich durchsetzen würde. Dieses Problem sollte sich relativ schnell lösen, denn bereits zu Beginn der 1950er Jahre waren Plattenspieler dazu in der Lage, beide Formate abzuspielen.
Wer den „Battle of the Speeds“ letztlich gewonnen hat? Das kommt vermutlich auf die Perspektive an. 65 Jahre später stehen in den Plattenläden immer noch 7“ und 12“ Vinyl direkt nebeneinander. Beide Formate haben sich also durchgesetzt. Dennoch wird Columbia Records gemeinhin der Sieg im „Battle of the Speeds“ zugeschrieben. Aus dem einfachen Grund, dass RCA Records bereits 1950 – also ein Jahr nach dem Release der Vinyl Single – bekannt gab, ab sofort auch Schallplatten mit 33 1/3 Umdrehungen herzustellen. Sie knickten also früher ein als die Konkurrenz. Columbia Records begann übrigens im Jahr 1951 damit, eigene Vinyl Singles mit 45 RPM zu produzieren. Der Rest ist Geschichte: Beide Formate sollten den Musikmarkt anschließend auf Jahrzehnte hin dominieren.
Die liebsten Stücke in meiner Plattensammlung:
1. Yage/The Robocop Kraus Split:
Als wären zwei meiner deutschen Lieblingsbands auf einer Split-7“ nicht schon toll genug, bin ich als alter Fan von Bud Spencer und Terrence Hill-Streifen natürlich total begeistert vom Artwork der Single. Bud Spencer auf der A- und Terrence Hill auf der B-Seite – ganz großes Kino!
Es ist wirklich schade, dass es beide Bands nicht mehr gibt und sie nie wirklich den Durchbruch geschafft haben. Wer die Bands nicht kennt: Yage ist gute alte Kölner Hardcore-Schule, während The Robocop Kraus eher dem Post-Punk zuzurechnen sind. Unbedingt reinhören!
2. Art Garfunkel – Bright Eyes:
„Bright Eyes“ von Art Garfunkel war die erste Vinyl Single, die ich jemals besessen habe. Ich liebe den Film „Unten am Fluss“ (im Original: Watership Down), auf dessen Soundtrack dieser grandios-melancholische Song enthalten ist. Ich habe mich oft gefragt, ob Conor Oberst sein Projekt danach benannt hat. Vielleicht sollte ich das endlich mal googeln. Faszinierend ist auf jeden Fall, dass dieser Song an jenem Donnerstag, an dem ich vor viel zu vielen Jahren geboren wurde, auf Platz 1 der deutschen Singlecharts platziert war. Wenn das mal kein Zeichen ist…
3. Strike Anywhere – Underground Europe 2011 Genoa Benefit EP:
Erinnert ihr euch noch an jene Zeit vor mittlerweile 13 Jahren, in der man glauben konnte, dass die gesamte Jugend Europas politisiert sei – abgeschreckt von den Machenschaften von WTO, Weltbank oder G8? Ich war damals jedenfalls Mitglied von Attac und verfolgte die Proteste von Genua oder Seattle ganz genau, las Zeitung und nutzte das damals noch junge Internet, um mich umfassend zu informieren. Sehr stolz war ich damals auf diese 7“, die eine meiner ersten war und von der ich dachte, dass sie viel seltener ist. Dank Discogs weiß ich, dass mein Exemplar aus der fünften Pressung stammt. Trotzdem eine tolle Scheibe mit ganz viel Nostalgiewert!
4. Engrave – s/t:
Noch so eine deutsche Band, die sich leider viel zu früh aufgelöst hat. Noch so eine deutsche Band, die leider nie wirklich den Durchbruch geschafft hat, wobei die Musik von Engrave auch nicht wirklich als massenkompatibel zu bezeichnen ist. Diese Vinyl Single ist der erste Release der Jungs aus Aachen, deren Diskografie darüber hinaus zwei Alben und zwei Split Singles (mit den bereits erwähnten Yage sowie Standstill) umfasst, die alle in meiner Sammlung zu finden sind. Jippie! Erschienen sind sie auf dem sensationellen Kölner Label Defiance Records, das es mittlerweile leider auch nicht mehr gibt.
5. Touché Amoré Singles „Collection“:
Ich liebe diese Band. Viel mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. Punkt! Spätestens seitdem ich die Jungs um Jeremy Bolm im vergangenen Jahr live in Berlin erleben durfte, haben sie einen festen Platz in meinem Herzen. Neben den drei regulären Alben haben mittlerweile fünf Singles den Weg in meine Sammlung gefunden – neben den Liveaufnahmen bei der BBC sind das die Split Singles mit La Dispute, Make Do And Mend, Pianos Become The Teeth und Title Fight. Und glaubt mir, der Rest der Diskografie wird folgen!