Alte Alben und Klassiker auf Vinyl wiederbeleben und neu auflegen – klingt eigentlich nach keiner so schlechten Idee. Dass das Ganze über Crowdfunding finanziert werden soll, ebenfalls nicht. Crowdfunding ermöglicht es jedem Menschen Vorhaben finanziell zu unterstützen, die in seinen Augen sinnvoll ist. Mit einer Summe, die er selber fest legt. Ein paar Beispiele gefällig?
- Eine Band wie Murder By Death betreibt Crowdfunding, da sie ansonsten kein Geld hat, um ein Album zu produzieren.
- Ein Projekt wie „Black Canyon – Faszination Vinyl“ betreibt Crowdfunding, da es ansonsten kein Geld hat, um die eigene Vinyldokumentation zu produzieren.
- Ein Unternehmen wie die Univeral Music Group betreibt Crowdfunding, da es ansonsten kein Geld hat, alte Klassiker auf Vinyl neu aufzulegen.
Ähm, Moment mal, kurz zurückgespult: Ein Unternehmen wie die Universal Music Group betreibt Crowdfunding!? 2012 hat das Unternehmen einen Umsatz von mehr als 4 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Das mag nicht mehr ganz so üppig sein wie noch vor einigen Jahren, am Hungertuch nagen muss das Unternehmen aber sicherlich nicht. Im Gegenteil, die Universal Music Group zählt weiterhin zu den drei mächtigsten Plattenfirmen der Welt.
Es erscheint geradezu absurd, dass sich die UMG finanzielle Unterstützung von Spendern holen möchte, um alte Alben auf Vinyl aufzulegen. Warum also die ganze Nummer?
The Vinyl Project
Um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, hat Universal „The Vinyl Project“ ins Leben gerufen. Die Funktionsweise ist denkbar simpel: Dem registrierten Vinylfan werden verschiedene Alben zur Auswahl gestellt. Gehen für ein Album genügend Vorbestellungen von Interessenten ein, startet die Produktion und der Spender erhält eine limitierte Edition des Albums mit nicht näher erläutertem Bonusmaterial. Für Universal ist das Ganze ein sehr bequemes Modell, das jegliches unternehmerisches Risiko eliminiert. Es wird nur dann produziert, wenn die Nachfrage auch vorhanden ist.
Merkwüdig ist, dass sich die „Back to Black“-Vinyl-Serie von Universal bereits seit 2008 der Neuveröffentlichung klassischer Alben auf 150-Gramm-Vinyl widmet. Mit der Crowdfunding-Methode wird exakt das selbe Ziel verfolgt. Anscheinend kommt Universal dabei selber ganz durcheinander. Auf der Webseite von Universal Vinyl ist heute die Mitteilung zu lesen, dass Nirvanas Unplugged-Album sowie „Goo“ von Sonic Youth nicht Bestandteil des neuen Services sein werden, sondern über die „regulären Kanäle“ – also vermutlich die Back-to-Black-Serie – veröffentlicht werden.
In der Back-to-Black-Serie sind zahlreiche genreübergreifende Klassiker zu finden, die sich vermutlich gut verkaufen dürften. In der Auflistung der Alben fürs Vinyl Project finden sich hingegen offensichtlich auch ein paar weniger bekannte Alben von großen Stars. Billboard.com vermutet darin einen Beweggrund für das neue Projekt: „The Project’s homepage touts „sought-after deleted records to be re-pressed;“ but many of the titles — while great records — may not be much „sought after.““ Ganz offensichtlich besteht das Ziel von Universal darin, Vinylliebhaber für das eigene Angebot zu interessieren, ohne dabei ein Risiko eingehen zu müssen. Außerdem scheint sich Universal einen massiven Imagegewinn zu versprechen, indem alte Klassiker auf dem momentan scheinbar so unfassbar populären „schwarzen Gold“ wieder zugänglich gemacht werden. Schaut her, wir sind wahre Musikfans und können auch Vinyl!
Missbrauch des Crowdfunding-Gedankens
Ich muss sagen, dass ich das Projekt von Universal ziemlich lächerlich finde. Dem Urteil der VISIONS, dass das Vorhaben bemerkenswert ist, stimme ich überhaupt nicht zu. Es handelt sich um einen Missbrauch des Crowdfunding-Gedankens. In einigen Artikeln wird als Vorbild auf das Beat Delete-Projekt des britischen Labels Ninja Tunes verwiesen, das Acts wie Bonobo, Amon Tobin oder The Cinematic Orchestra unter Vertrag hat. Der Vergleich hinkt indes gewaltig, da das Projekt einen ernsthaften Hintergrund hatte: Im Verlauf der tagelangen Riots in London ist 2011 ein Lagerhaus von Sony bis auf die Grundfesten abgebrannt. Darin lagerten u.a. Schallplatten von Ninja Tunes, Beggars oder Domino. Ohne die finanzielle Unterstützung hätten die Alben der betroffenen Labels nicht neu aufgelegt werden können.
Wie bereits erwähnt hat die Universal Music Group eine solche finanzielle Unterstützung nicht nötig. The Vinyl Project dient einzig und allein dazu, mit einem kaum existenten Risiko auf den Vinyltrend aufzuspringen und auf bequeme Weise den ein oder anderen Dollar zu verdienen. Es hat fast etwas Höhnisches, dass Universal angekündigt hat, die Vinylalben auch mit einem Downloadgutschein zu versehen. Wie großzügig das doch ist! Ich muss sagen, dass ich lieber auf den Flohmarkt gehe und alte Alben mit dem ein oder anderen Kratzer oder Eselsohr kaufe, als dem durchsichtigen Marketingkonzept von Universal auf den Leim zu gehen.
Da ich an dieser Stelle aber niemandem etwas vorschreiben möchte: Solltest du an The Vinyl Project interessiert sein, kannst du dich auf der Webseite bereits registrieren und wirst stets über aktuelle Neuigkeiten auf dem Laufenden gehalten. (Anm. d. Autors: ich habe gerade fest gestellt, dass der Link plötzlich auf die Präsenz von Universal Vinyl weiterleitet. Gestern war eine Registrierung über den angegebenen Link noch möglich.)