Es gibt immer wieder Alben, die einen beim ersten Hören auf dem vollkommen falschen Fuß erwischen. Weil man nicht wirklich weiß, was zu erwarten ist. Beziehungsweise das Gehörte der Erwartung komplett entgegen steht. Das Debütalbum von Black Country, New Road ist so ein Beispiel. Von der ersten Single an hat mich die Musik der Band komplett überwältigt.
Bei Lankum geht es mir ähnlich. Auch wenn die Band schon länger im Geschäft ist, sagten mir die Iren bis zu ihrer aktuellen Platte nichts. Asche über mein Haupt. Als ich vor wenigen Wochen „False Lankum“ zum ersten Mal angehört habe, war ich schlicht überwältigt. Was hatte ich da so eben gehört?
Irish Folk meets Drone, Sunn O))) treffen auf die Pogues
Das Album von immerhin 70 Minuten Länge beginnt recht eingängig mit einem folkigen Gospel-Part. Während man als Hörer nichts Böses ahnt, bricht der Song ab Minute viereinhalb plötzlich in ein droniges Soundgewitter aus, das mich arg an jüngste Aufnahmen von Godspeed You! Black Emperor erinnerte. Und bei einer meiner Katzen für derartiges Entsetzen gesorgt hat, dass ich den Musikkonsum ganz schnell auf Kopfhörer umgestellt habe. Ein achtminütiges Monster von einem Song, das ich erst einmal verdauen musste.
Mit „Clear Away In The Morning“ folgt ein fast schon klassischer Folksong auf immerhin auch sieben Minuten Länge. Einem kurzen instrumentalen Interlude (Fugue I) folgt mit „Master Crowley’s“ ein Song, wie ich ihn eher aus dem Irish Pub kenne. Aber der Eindruck täuscht, denn irgendwann tönt plötzlich wieder dieses apokalyptische Dröhnen aus den Boxen, das eher an Sunn O))) erinnert als an die Pogues. Zur neuen Hymne am St. Patricks Day wird der Song sicherlich nicht gekürt. Aber das ist auch gut so.
„False Lankum“ sprengt die Grenzen des Folk Rock
Ohne an dieser Stelle jeden Song im einzelnen durchgehen zu wollen, lässt sich festhalten, dass Lankum die Grenzen des traditionellen Folk Rock sprengen. Das Resultat ist kein einfaches Album zum Nebenbeihören. Hits gibt es hier keine. Ein Album, das man während des Besuchs von Freunden angenehm im Hintergrund laufen lässt, bekommt man ebenfalls nicht. „False Lankum“ fordert deine komplette Aufmerksamkeit. Die Betonung liegt dabei auf „fordern“, denn nichts anderes tun die zwölf Songs. Der Musikexpress bringt es mit einer Formulierung ganz gut auf den Punkt: „Gut vollbärtiger Irish-Folk, in dem sich das Höllentor öffnet.“ Am besten genießen sich die Songs über Kopfhörer. Nicht nur, um sensible Katzenohren zu schützen, sondern um die düstere Brillanz dieses Monstrums von einem Album in voller Intensität zu genießen. „False Lankum“ ist schlicht sensationell und ich könnte drauf wetten, dass es am Ende des Jahres in vielen Listen mit den besten Alben 2023 auftaucht. Vielleicht auch in der von Vinyl Fantasy Mag!
Vinyl der Woche als Indie Exclusive Edition
Um es kurz zu machen: im Plattenladen habt ihr die Wahl zwischen schwarzem Vinyl oder der Indie Exclusive Edition auf transparent orangenem Vinyl. Das war es auch schon. Wenn euch das zu langweilig ist, könnt ihr online in den Shops von britischen Plattenläden vorbeischauen. Dort gibt es in vielen Läden noch eine Variante mit Print. Die Edition mit einem von der Band signierten Print, die direkt beim Label Rough Trade Records angeboten wurde, ist restlos ausverkauft und wird bei Discogs bereits zu recht hohen Preisen angeboten.
vinyl der woche
Lankum – False Lankum
*Hinweis: es handelt sich um Affiliate-Links!