2022 war ein verdammt gutes Jahr für deutschsprachige Musik. In meinen Top 10 der Alben des Jahres befinden sich mit Muff Potter, Die Nerven oder Fjørt gleich drei Bands mit deutschen Texten. Dazu kommen tolle Alben von Pogendroblem, Es War Mord oder neue 7″ Singles von Pisse und Team Scheisse, deren zweites Album bereits Ende Februar erscheinen wird. Direkt zu Anfang des neuen Jahres legen Pascow die Messlatte für hiesige Musik mit ihrem siebten Album verdammt hoch. Und damit direkt auch für das Genre Punk, das zuletzt recht wenige spannende Platten hervor gebracht hat, wie ich finde.
In den vergangenen Jahren haben sich die Saarländer eine immer größer werdende Nische erspielt. Auch aufgrund ihrer unfassbaren Live-Energie, nicht umsonst sind zahlreiche Konzerte der kommenden Tour bereits ausverkauft. In Hamburg oder Berlin wurden sogar Zusatzkonzerte angekündigt. Jetzt also – Überraschung! – Album Nummer sieben.
Vermutlich eines der besten Punkalben des Jahres
Mit den beiden bereits seit einiger Zeit digital verfügbaren Vorab-Singles „Himmelhunde“ und „Königreiche im Winter“ geht das Album direkt in die Vollen. In letzterem unterstützt von Apocalypse Vega, Sängerin und Gitarristin von Acht Eimer Hühnerherzen. Sowieso ist auffällig, dass es einen ruhigen Song wie z.B. „Marie“ oder gar eine Ballade wie „Wunderkind“ auf dem Vorgängeralbum hier schlicht nicht gibt. In den knapp 37 Minuten gibt es keinen Moment zum Verschnaufen. Nur das zwölfsekündige Interlude „Boris Blocksberg“ zum Ende der A-Seite müssen mir die Jungs mal erklären. Meine Katzen sind etwas am Rad gedreht bei dem Noiseausbruch, der etwas unmotiviert aus den anderen Stücken hervorsticht.
Auch inhaltlich hat die Platte dank Alex‘ Texten mal wieder eine Menge zu bieten. Das bereits erwähnte „Königreiche im Winter“ erinnert an das eigene Aufwachsen auf dem Land und die manchmal trügerische Idylle („An manchen Orten lernt man schnell, Idyllen nicht zu trauen“). „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ (tolles Buch auch) prangert Populismus, Fake News und „Nazis in Krawatte“ der AfD an, während „Grüßt Eve“ fast schon dystopisch daher kommt („Alles ist am Arsch und wird es bleiben. Das hier räumt niemand mehr auf. Und langsam wird es kalt.“)
Lyrischer Höhepunkt ist für mich der Song „Monde“, eine bitterböse Abrechnung mit der Gentrifizierung im Speziellen und dem Kapitalismus im Allgemeinen.
„Die neuen Brands so grellWie Ruhmeszeichen
Ein paar Kaputte sollen bleiben
Das muss reichen
Und der Smoothie schmeckt so gut wie nie
Next to other people’s misery.
Und wenn die Städte alle gleich sind
Geh ich nicht mehr hin
Denn sie werden öde wie ein Mond.„
Mit dem unfassbar grandiosen „Mailand“ legen Pascow einen Song vor, der einem einfach nicht mehr aus den Ohren geht. Ich meine… habt ihr schon mal Violinen in einem Punksong gehört? So viel Ohrwurmpotential hat Deutschpunk nur selten. Definitiv der stärkste Song des Albums.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Weltordnung auch 16 Jahre nach Release von „Nächster Halt Gefliester Boden“ immer noch the Fuck ist. Natürlich erfinden sich Pascow mit ihrem siebten Album nicht neu, aber das müssen sie auch gar nicht wenn Songwriting und Lyrics derart bockstark sind. Da muss im Punkgenre dieses Jahr erstmal jemand um die Ecke kommen, um dieses Werk vom Thron zu stoßen! Das mag nach nicht mal einem Monat im neuen Jahr nach einer gewagten Prognose klingen, spricht aber einfach für die begeisternde Qualität des Albums.
Erstauflage der Vinyl der Woche samt Schuber
Es ist fast schon ungewöhnlich, aber es steht bei dem Album lediglich eine einzige Vinyl Edition zur Auswahl. Das ist aber tatsächlich von der Band so gewünscht, um die Presswerke zu entlasten. Zudem gibt es das Album ausschließlich im so genannten Indiepool, es soll also nicht bei den großen Playern des Marktes vertrieben werden, sondern im Plattenladen.
Die Erstauflage kommt auf schwarzem Vinyl im schicken Schuber samt 16-seitigem Booklet, Downloadcode und einem Umschlag samt Stickern und einer Postkarte. Über die Anzahl der gepressten Exemplare habe ich nirgendwo eine Information gefunden, in einigen Läden ist die Erstauflage aber bereits vergriffen. Die Nachpressung wird es dann ohne Schuber geben.
vinyl der woche