In meiner Jugend waren die Regale in meinem Zimmer vorwiegend mit CDs gefüllt. Das hatte nichts mit einer ausgeprägten Abneigung gegen Vinyl zu tun. Schallplatten wurden damals schlicht kaum gepresst, viele Alben gar nicht erst auf dem Medium veröffentlicht. Einen Plattenladen für aktuelle Musik gab es in meiner Heimatstadt ebenfalls nicht. Statt dessen trieb ich mich jeden Freitag stundenlang in den CD-Abteilungen der großen Ketten wie Saturn oder auch jpc herum, die damals noch über Ladengeschäfte verfügten. Da es meist keine Vorab-Singles gab, wurden neue Releases vor Ort ausgiebig angehört. Die CD-Abteilungen waren damals riesig. Meter um Meter reihten sich die verschiedenen Genres aneinander.
Doch all das ist lange her. Vor zwei Wochen war ich mal wieder in einem Media Markt. Die CD-Abteilung bestand aus einer einzelnen Reihe und wirkte etwas verloren neben all den Blu-Rays und Videospielen. Selbst mit dem Angebot an Vinyl Schallplatten konnte die CD-Abteilung nicht mithalten. Diese Beobachtung deckt sich durchaus mit der aktuellen Entwicklung des Marktes.
2022 wurden mehr Vinyl Schallplatten als CDs verkauft
Zumindest gilt das für Großbritannien, wie The Official Charts Company jetzt bekannt gegeben hat. Im abgelaufenen Jahr wird im Vinyl-Segment die Marke von 5,5 Mio. verkauften Exemplaren überschritten. Zum ersten Mal seit dem Jahre 1987 wurden damit mehr Schallplatten als CDs abgesetzt. Die meist verkauften Alben in jenem Jahr waren „Bad“ von Michael Jackson, der Dirty Dancing-Soundtrack und „Appetite For Destruction“ von Guns N‘ Roses – im übrigen die erste CD, die ich mir je von meinem eigenen Taschengeld gegönnt habe.
Es erscheint logisch, dass die beiden momentan wohl größten Popstars auf diesem Planeten für die Wachablösung der CD verantwortlich sind: Harry Styles und Taylor Swift. Der Anteil an Vinylenthusiasten in der Hörerschaft von Indie-Durchstartern wie Fontaines D.C. oder Wet Leg mag höher sein, von den Verkaufszahlen der beiden Popstars können sie aber nur träumen. Auch das Mini-Revival der Kassette scheint weiter zu gehen. Wurden 2021 knapp 185.000 Exemplare verkauft, wird für 2022 eine weitere Steigung prognostiziert.
Taylor Swift bricht Vinylrekorde
Taylor Swift hat mit ihrem zehnten Album „Midnights“ einen großen Anteil an der beschriebenen Entwicklung. Es darf daher nicht verwundern, dass es das erste Album in den letzten 35 Jahren ist, von dem mehr Exemplare auf Vinyl als auf CD abgesetzt wurden. In den USA hat sie alleine in der ersten Woche nach Release 500.000 Schallplatten des Albums verkauft und damit einen neuen Rekord seit der Einführung der Zählung 1991 aufgestellt. In UK wurden insgesamt 80.000 Vinyleditionen des Albums verkauft. Damit verdrängt sie den monatelangen Spitzenreiter Harry Styles sowie die Arctic Monkeys auf die Plätze 2 und 3. Die vollständigen Vinyl Charts für das Jahr 2022 in UK sind zwar noch nicht veröffentlicht worden, doch es soll sich bei acht von zehn Releases der Top10 um neue Alben handeln, was recht untypisch ist. In den letzten Jahren fanden sich immer wieder Klassiker von Fleetwood Mac, Queen, Pink Floyd oder Nirvana unter den am besten verkauften Alben auf Vinyl.
Hat die CD noch eine Zukunft?
Kim Bayley, die Vorsitzende der Entertainment Retailers Association (ERA), bezeichnet die Entwicklung als Wendepunkt für die gesamte Musikindustrie. „Nachdem die CD aufkam und das Vinylgeschäft praktisch auslöschte, hätten nur wenige von uns eine Renaissance wie diese für möglich gehalten“, so Bailey. „Wird die CD verschwinden? Natürlich sieht es derzeit nicht gut aus, aber es bietet eine Beständigkeit und Robustheit und Qualität, die einzigartig ist. Angesichts dessen, wie falsch wir mit Vinyl lagen, wäre es töricht, die CD für immer abzuschreiben.“
Da mag etwas dran sein, meiner bescheidenen Meinung nach, hat die CD aber keine wirkliche Zukunft mehr. Zumindest keine als Massenmedium. Vermutlich wird sie nicht komplett verschwinden, sondern eine Nische ähnlich der Vinyl Schallplatte vor knapp 20 Jahren finden. In einer Zeit, in der die Tendenz auf dem Musikmarkt eindeutig in Richtung Streaming geht und die Verkaufszahlen von physischen Tonträgern im niedrigen zweistelligen Prozentsatz liegen, gibt es kaum noch Kaufanreize für die CD. Wer ein Album tatsächlich noch in den Händen halten will, greift lieber zur Vinyl Schallplatte. Die Aufmachung ist hochwertiger und selbst das Auflegen einer Vinyl macht mehr her als eine CD in ein Laufwerk zu schieben. Schaut euch einfach mal an, wie viele Accounts bei Instagram sich um die Vinyl Schallplatte drehen (u.a. der von Vinyl Fantasy Mag). Fotos von schicken Vinylfarben und hochwertig aufgemachten Editionen machen viel mehr her als die verspiegelte Kunststoffscheibe einer CD.
Eine kleine Anekdote aus meiner Arbeit im Dodo Beach Plattenladen: es gab vereinzelt Kunden, die danach gefragt haben, ob wir einen Laden für CDs empfehlen könnten, da bei uns „Vinyl Only“ angesagt war. Eine Antwort auf diese Frage konnte ich nie geben, da mir abgesehen von den Abteilungen in großen Elektronikketten kein Laden einfällt, der noch CDs von aktuellen Alben verkauft. Second Hand sieht das natürlich anders aus. Apropos… ich habe vor 10+ Jahren meine komplette Sammlung von mehreren hundert CDs verkauft. Im Gegensatz zu Schallplatten, wo der Wert häufig steigt und die Preise bei Discogs gerne mal schwindelerregende Höhen erreichen, waren hier im Schnitt 3 bis 4 Euro pro CD drin. Ein Wertgewinn ist hier auch in Zukunft nicht wirklich zu erwarten.