Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob der folgende Artikel in die Kategorie „Dinge, die die Welt nicht braucht“ eingeordnet werden sollte, oder ob das Ganze in Zukunft tatsächlich von Nutzen sein könnte. Aber zunächst einmal sollte ich wohl beschreiben, worum es eigentlich geht.
3D Drucker sind momentan das coolste Spielzeug überhaupt und werden für eine Vielzahl von Dingen verwendet, sei es zur Herstellung von Waffen oder Gitarren. Naheliegend also, dass irgendwo auf der Welt jemand auf die Idee kommt, eine Schallplatte zu drucken. Das Team von Instructables.com, einer Webseite für DIY-Projekte, um Amanda Ghassaei hat sich an die praktische Umsetzung gewagt.
Ganz so einfach gestaltet sich dieses Vorhaben freilich nicht. Es geht ja nicht bloß darum, ein Objekt in Form einer Schallplatte zu erstellen, sondern dieses soll über eine Funktionalität verfügen. In diesem Fall das Abspielen von Musik. Zu diesem Zweck hat Ghassaei eigens ein Programm entwickelt, das digitale Audiodateien in ein 3D-Modell einer Schallplatte umwandelt. Anschließend ließ sie ein paar Prototypen ausdrucken, die auf gewöhnlichen Plattenspielern tatsächlich funktionieren. Die Audioqualität jedoch ist relativ gering. Während CDs oder eine typische Mp3 über eine Abtastrate von 44,1 kHz verfügen, liegt diese bei den gedruckten Schallplatten bei 11 kHz. Die Samplingtiefe der gedruckten Schallplatte liegt bei 5-6 Bit. Trotzdem sind die Songs leicht zu erkennen, wie ihr in folgendem Video hören könnt. Gedruckt wurden Songs von Nirvana, New Order, Pixies, Daft Punk, Radiohead, Joy Division und Aphex Twin.
Gedruckt wurden die Platten mit einem Objet Connex500, der über eine der höchsten Auflösungen unter den momentan existierenden 3D-Druckern verfügt. Der Connex500 erschafft ein Objekt, indem er das Material Schicht für Schicht aufträgt, bis die endgültige Form erreicht ist. Trotz der hohen Präzision ist der Drucker immer noch von der Auflösung einer echten Vinyl Schallplatte entfernt. Ein weiterer Nachteil ist, dass es durch den Herstellungsprozess lediglich möglich ist, eine Seite der Schallplatte abzuspielen. Dennoch ist „Erfinderin“ Amanda Ghassaei mit dem Projekt mehr als zufrieden. Sie habe zum Beispiel gelernt, „that audio is a very resilient medium, it can take a fair amount of abuse (in the form of distortion and compression) while still maintaining most of the integrity of the original sound. The key is as long as you loosely approximate the overall shape of an audio signal, the output will sound reasonably recognizable.“
Spielerei oder revolutionäre Erfindung?
tonedeaf bezeichnet die gedruckten Schallplatten als „dramatic first step to a personalised and potentially much more efficient form of record production„. Ein bisschen mehr Skepsis ist meiner Meinung nach durchaus angebracht. Ja natürlich, wie genial wäre es bitte, wenn man seine digitale Playlist auf Platte drucken lassen könnte? Ein Mixtape aus Vinyl sozusagen!
Die Frage bleibt aber, ob das tatsächlich eine realistische Option darstellt. 3D-Drucke(r) sind unheimlich kostenintensiv. Zumindest momentan. Die erste 3D-gedruckte Gitarre ist zu einem Preis von 4800 US-Dollar zu haben. Ob sich das in naher Zukunft auf einem niedrigeren Kostenniveau einpendelt, vermag ich nicht einzuschätzen.
Faszinierend ist, dass auf Webseiten wie tonedeaf oder Techcrunch bereits jetzt die Diskussion um mögliche Piraterie beginnt. Ein viel beachteter Artikel auf Techcrunch beschäftigt sich mit der Frage nach Designdiebstahl und stellt folgende Frage: „3D printing is poised for the mainstream, but what happens when one person’s finely hand-crafted designs can be pirated and reproduced by anyone?“ Alex Winter, Regisseur der Napster-Dokumentation „Downloaded“, hält ein Napster für „3D printing models“ in Zukunft für unvermeidbar. Man kauft also ein Produkt, scannt es daheim ein, lädt es ins Netz und druckt es irgendwo auf der Welt aus. Das wäre in der Tat revolutionär! Home Taping Is Killing Music 2.0.
Zwar wird sich Otto Normalverbraucher kaum einen 3D-Drucker leisten können, aber es gibt bereits zahlreiche Universitäten oder Bibliotheken, die diesen Service anbieten. Spinnt man diesen Gedanken ein wenig weiter, würde das Ganze bedeuten, dass Mp3s in Zukunft über Onlinetauschbörsen in Form von Druckvorlagen verbreitet werden, um sie per 3D-Druck in reale physische Objekte zu verwandeln.
Das aber ist bislang Zukunftsmusik. Überhaupt wird eine solche Entwicklung spätestens dann real, wenn die Qualität der gedruckten Songs jenen von heutigen Mp3s nahe kommt. Die Vorstellung, dass ich meine Vinyl eines Tages selber drucken kann, fällt mir aber zugegebenermaßen schwer. Eine Erfindung wie Spotify hätte ich vor wenigen Jahren aber auch nicht vorhergesehen. Von daher, abwarten und Vinyl hören, würde ich sagen…